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Wann haben die Probleme mit den Nazis angefangen<br />
hier in Greifswald?<br />
Das fing eigentlich auch Punkt Wende, noch<br />
vor 90 an. Die Mauer fiel und ein paar Wochen<br />
später ging es auch schon los. Schwierig<br />
einzuschätzen. Ich bin ein typisches Altstadtkind<br />
und kannte diese Problematik nicht, weil<br />
es sie da nicht gab, sondern nur draußen in<br />
Schönwalde. Dort wohnten zwei oder drei<br />
Punker, die hatten dann von einem Tag auf<br />
den anderen partout das Problem, daß sich in<br />
Schönwalde die Nazis getroffen haben (Ecke<br />
Makarenkostr./Ernst-Thälmann-Ring). Fast täglich<br />
und in großer Zahl. Da haben die Punker<br />
dann von einem Tag auf den anderen richtig<br />
auf die Fresse gekriegt. Das wurde dann immer<br />
akuter und immer mehr Nazis. Bis sie sich aus<br />
Schönwalde raus, und auch gelegentlich in die<br />
Altstadt trauten.<br />
Angefangen haben die Besetzungen mit dem<br />
„Loch“ 1990 – wie kam es dazu?<br />
Wir wußten daß es leerstand, weil ich in der<br />
Nähe zur Berufschule gegangen bin. Und ich<br />
kam da täglich vorbei. Das Haus war noch<br />
komplett intakt. Da gab es noch Strom, Wasser<br />
teilweise war es noch möbliert.<br />
Es spielte für uns gar keine Rolle, ob das rechtens,<br />
oder nicht rechtens war. Ich kann mich<br />
erinnern zu DDR-Zeiten <strong>als</strong> Teenager, <strong>als</strong> kleines<br />
Kind ist man öfters in alte Häuser gegangen<br />
und zwar nicht in dem Sinne besetzt, aber<br />
sich dort ausgetobt und „eingerichtet“. Da hat<br />
dann keiner danach gefragt, ob das rechtens<br />
ist, oder nicht. Und so haben wir das auch gemacht.<br />
Da ist ein Haus, das ist leer – Strom,<br />
Wasser – wir brauchen eins, <strong>als</strong>o sind wir rein.<br />
Alles andere spielt keine Rolle es waren die<br />
Häuser auch nicht verschlossen und verrammelt,<br />
so wie wir das heutzutage kennen. Wir<br />
sind rein, haben da Möbel zusammengetragen.Und<br />
drinne waren wir. Das wars.<br />
War das ein fester Freundeskreis, der das<br />
„Loch“ besetzt hat?<br />
Der Kreis von Leuten der da reingegangen ist,<br />
das war am Anfang ein Kreis von 10-15 Personen,<br />
die sich die Monate davor kennengelernt<br />
haben. Wir kannten uns einfach nur über die<br />
Problematik Nazis. Dazu kamen dann Stück<br />
für Stück über die Wochen hin, da wir jetzt<br />
einen Anlaufpunkt hatten, noch ein paar vereinzelte<br />
hinzu. Es waren nicht viel die dazu<br />
kamen, aber bis es zum Brand kam <strong>als</strong>o in einer<br />
Spanne von ungefähr einem halben Jahr<br />
(bis wir raus sind) sind noch einmal 10 bis 15<br />
hinzugekommen.<br />
War das „Loch“ <strong>als</strong> offener Raum konzipiert?<br />
Also das war kein Café und das ist Haus ist<br />
auch nicht bekannt gewesen in der noch sehr<br />
kleinen Szene und es sind jetzt auch nicht die<br />
Leute ein und aus gegangen, wie in einem<br />
JUZ. Sondern es waren dann eher die Leute,<br />
die wir draußen in der Stadt kennengelernt haben,<br />
die kamen hinzu.<br />
Die Szene kannte sich dam<strong>als</strong> auch untereinander<br />
nicht, was aber auch daran lag, daß<br />
es kaum eine gab bzw. sie erst am entstehen<br />
war.<br />
Wie kam es das ihr aus dem „Loch“ raus seid<br />
und wie ging es danach weiter?<br />
Der Grund weswegen wir raus sind war letztendlich<br />
ein Brand. Davor gab es nach ungefähr<br />
einem halben Jahr massive Probleme mit asozialen<br />
Knastbrüdern aus der Gegend, die erst einmal<br />
nach der Wende raus sind. Die haben uns<br />
zwei, dreimal vorm (und im) Haus ganz, ganz<br />
böse aufgelauert und zusammengeschlagen.<br />
Und dann gab es den Brand da drinne. Bis heute<br />
ist es ungeklärt, wie es zu dem Brand kam,<br />
ob ihn die Assis gelegt haben, oder die Faschos<br />
vielleicht mit drinne hingen. Es gab jetzt auch<br />
keinen direkten Faschoangriff während wir das<br />
Haus besetzt haben, aber die krochen bereits<br />
zahlreich in der Gegend herum.<br />
Auf jedenfall brannte es da drinne. Und da stellte<br />
sich uns die Frage: Was wollen wir noch hier?<br />
Das Haus ist nicht mehr bewohnbar und sanieren<br />
wollen wir nicht.<br />
Dann sind wir ein paar Tage später (das war<br />
dann eine Besetzung für ein paar Tage, vielleicht<br />
zwei oder drei Wochen. In die Brinkstraße,<br />
Ecke Bleichstraße - in den Stephanischen<br />
Kolleg). Die, die davor da drin gewesen sind,<br />
sind da gerade ausgezogen und das waren in<br />
paar super tolle Räume und da sind wir dann<br />
halt rein. Aber die Nähe zur Polizei war uns<br />
nicht ganz geheuer.<br />
Das war dann alles 1990 bis 1991 und erst im<br />
Februar 1992 haben wir dann die Wachsmannstraße<br />
besetzt. Da lag dann der harte Winter<br />
dazwischen. In der Zwischenzeit hielten wir<br />
uns dann in der Bahnhofshalle und im Amberland<br />
auf, oder wir trafen uns gelegentlich<br />
bei jemanden zu Hause, aber wir hatten dann<br />
keinen richtigen Anlaufpunkt. Das Amberland<br />
war mehr ein Laden für die ‚Edel-Schrägen‘.<br />
Teilweise studentisches Umfeld, teilweise auch<br />
ein Stückchen älter. Es war ein wirklich kultiges<br />
Café, und wir waren dort auch gern gesehen,<br />
aber es war halt nicht unser Laden und deshalb<br />
sind wir da auch nicht so häufig hingegangen.<br />
Das war dann wahrscheinlich auch der Grund,<br />
weshalb wir dann im Februar ein Haus richtig<br />
besetzt haben. Da spielte dann auch schon ein<br />
bißchen die Rolle Wohnraum zu schaffen. Man<br />
wurde auch ein Stückchen älter und die Probleme<br />
zu Hause wurden ein Stückchen größer.<br />
Der Wille sein „eigenes Ding“ zu machen war<br />
woanders nicht mehr machbar. Aber die meisten<br />
waren in der Lehre oder noch Schüler und<br />
deshalb waren dann Mieten nicht bezahlbar.<br />
Da haben wir uns gedacht: o.k. Dann besetzen<br />
wir in der Wachsmann ein Haus, wo wir dann<br />
wohnen können. So wirklich fest hat dann in<br />
der Wachsmann über die ganze Zeit nie jemand<br />
gewohnt, aber es waren immer 1-2 Lute,<br />
die hier für ein bis zwei Monate wohnten.<br />
Und das war dann das zentrale Moment für die<br />
Besetzterszene? Wenn man heute von der Besetzterszene<br />
hört, dann immer von der Wachsmannstraße.<br />
Ja, weil da am meisten los war. Die Besetzung<br />
der Wachsmannstraße lag auch im gleichen<br />
Zeitraum, in dem das AJZ besetzt wurde.<br />
Wachsmann ist wahrscheinlich deshalb bekannter,<br />
weil dort mehr passierte. Die komplette<br />
Straße war bunt und auffällig wie die Leute,<br />
immer Partys und nicht zuletzt die Straßenschlachten<br />
im Sommer 92. Das muß man sich<br />
so vorstellen. Das ganze wurde Wachsmann-<br />
Titel: Subkultur und Soziale Bewegung in Greifswald<br />
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