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Titel: Subkultur und Soziale Bewegung in Greifswald<br />
26<br />
* GNS = Greifswalder Nazion<strong>als</strong>ozialisten.<br />
Artikel aus dem Greifswalder<br />
Tageblatt von 1991<br />
straße genannt, weil außer dem Allerersten und<br />
dem Allerletzten alle anderen Häuser (das waren<br />
vier oder fünf) leer waren. Das Haus in der<br />
Mitte war das eigentliche, das wir besetzt hatten.<br />
Die anderen Häuser haben wir eigentlich<br />
nicht benutzt, sondern nur den riesigen Hof. So<br />
gab es dann im Frühjahr und im Sommer Parties<br />
mit 100, 200 Leuten. Und das war dann in<br />
aller Gespräch. Das interessante war ja, das das<br />
die unterschiedlichsten Leute waren. Alle die in<br />
Greifswald und im Umfeld mit Nazis Probleme<br />
hatten, das waren nicht nur Punker, Linke<br />
oder Autonome, sondern auch Metaller, DeMo-<br />
Fans, Gruftis, Studenten Anarchos, Popper. Also<br />
alles was in Greifswald rumlief, wo die Nazis<br />
gesagt haben, du kriegst paar auf Maul - oder<br />
die einfach mal was außergewöhnliches erleben<br />
wollten.<br />
Was war das Selbstverständnis der Gruppe,<br />
wodurch wurde es bestimmt?<br />
In der großen Gruppe lag die Gemeinsamkeit<br />
im Schutz vor den Nazis, aus dem heraus man<br />
auch etwas machen konnte. In der kleinen<br />
Gruppe, die regelmäßig da war, das war vielleicht<br />
ein Kreis von 25-30 Personen, war viel<br />
stärker ein eigenes gemeinsames Selbstverständnis<br />
vorhanden. Da kam auch der politische<br />
Wille auf, auch organisiert was gegen die<br />
Nazis zu machen und auch gegen das System<br />
das uns nach der Wiedervereinigung bevorstand.<br />
Dam<strong>als</strong> wurden dann auch Banken mit<br />
Farbe beschmissen und auch mal die ein oder<br />
andere angezündet.<br />
Das politische Interesse war meist nur Randerscheinung.<br />
Das Größte war bis dato immer<br />
noch der gemeinsame Punkt Parties zu machen<br />
und seinen eigenen Wohnraum zu haben und<br />
gemeinsam was durchzuziehen.<br />
Und dann gab es ja auch noch die großen<br />
Straßenschlachten mit den Nazis - „Straßenschlacht<br />
um Mitternacht“...<br />
Ja das begann im Juni. Die Gruppe der Nazis<br />
(GNS)* war igendwann von Schönwalde ins<br />
Ostseeviertel zur Ostseeschenke (Straße des<br />
Friedens) umgesiedelt. Dort waren sie Herr der<br />
Lage. Die Leute die Probleme hatten, die liefen<br />
da nicht mehr rum, die waren in der Wachsmann,<br />
oder in der Altstadt. Da haben die Nazis<br />
mitgekriegt, daß es da draußen keinem mehr<br />
gab, dem sie aufs Maul hauen konnten. So wurde<br />
die GNS immer mutiger, weil auch der Mob<br />
der Nazis im größer wurde, daß sie sich auch<br />
das ein oder andere Mal, erst in Kleingruppen,<br />
immer öfter in die Stadt trauten.<br />
Außerdem gab es dann auch die sogenannte<br />
Bürgerwehr. Bei denen gab es zwar ein paar<br />
Überschneidungen mit den Nazis, aber die waren<br />
ein bißchen älter – typische Prolls mit Nazi-<br />
Einschlag. Die sind vorbeigekommen und haben<br />
in der Wachsmann angekündigt: „Passt mal<br />
auf, Morgen könnt ihr euch warm anziehen...“<br />
Und dann kamen auch die Nazis, die hatten<br />
noch ein paar Gäste aus Rostock und Demmin<br />
und sonst wo her, die wollten schön ‚Zecken<br />
klatschen‘ gehen.<br />
Als wir das gehört haben, haben wir beschlossen<br />
auf sie zu warten und Barrikaden bauen.<br />
Dann haben wir irgendwelche Autos, die irgendwo<br />
auf der Straße herumstanden, die keiner<br />
mehr haben wollte, die nicht mehr fuhren,<br />
irgendwelche alten Trabis oder Moskvitch da<br />
hin geschoben und umgekippt. Das waren dann<br />
unsere Barrikaden. Dann haben wir noch Mülltonnen<br />
aus den Nebenstraßen geholt und die<br />
dort hingestapelt und unsere Mollis gebaut und<br />
auf den Dächern gewartet.