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Stadtstreicher 06-08.2023

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Bewusste Elternschaft<br />

mit viel Reflexion<br />

Esther Neubert schaut mit Liebe auf das Portraitbild<br />

ihrer Familie, auf ihr Wohnzimmer mit den<br />

vielen Noten und Instrumenten. Es weckt Erinnerungen<br />

an Nachmittage, an denen die Familie zum<br />

gemeinsamen Musizieren zusammenkam. War es<br />

einfach? Nein, sagt sie – aber sie will die Erfahrung<br />

keinesfalls missen. „Wir haben bewusste Elternschaft<br />

erlebt, mit viel Hinterfragen und Reflexion,<br />

auch was die Rolle des Staates und die Übernahme<br />

von gesellschaftlichen Aufgaben angeht“, sagt<br />

Esther Neubert. Daher haben sie und ihr Mann<br />

gemeinsam mit den schon in der Familie lebenden<br />

Kindern entschieden, noch einen zehnjährigen<br />

Jungen als Nachzügler, Nesthäkchen und Pluskind<br />

in die Familie aufzunehmen. Er hat sein eigenes<br />

Zimmer, ein neues Leben und Familienhund Hugo.<br />

Das Tier scheint auf den ersten Blick zwar superlieb,<br />

auf den zweiten ist es aber ein noch immer<br />

angstgeplagtes Tier, das sich von seiner schlimmen<br />

Vergangenheit erholt. Die Neuberts retteten es aus<br />

dem Tierheim und machten Hugo ebenfalls zum<br />

festen Teil ihrer Plusfamilie.<br />

Mehr zum Thema und Kontaktmöglichkeiten finden<br />

sich unter den QR-Codes:<br />

Ein Blick ins Zimmer des jüngsten Pflegekindes, ein<br />

Junge, der erst seit kurzem in der Familie lebt.<br />

Hugo ist der Familienhund der Familie Neubert –<br />

auch ein Plus-Mitglied aus dem Tierheim.<br />

Mehr als die Hälfte ihres Lebens ist Esther<br />

Neubert schon Mutter – neben ihren leiblichen<br />

Kindern, waren immer auch „Pluskinder“, wie<br />

sie sie nennt, Teil der Familie.<br />

Neun Monate:<br />

Pflegekind ist ein Prozess<br />

Sechs bis neun Monate, etwa so lange wie eine<br />

Schwangerschaft, dauert es in Chemnitz, bis Pflegeeltern<br />

tatsächlich ein Kind bekommen, Nach Angela<br />

Gomons Erfahrung ist das für einige Freiwillige<br />

frustrierend. Ihnen könne es nicht schnell genug<br />

gehen, nachdem sie einmal die Entscheidung getroffen<br />

haben – aber der Prozess brauche Zeit. „Es<br />

nützt ja nichts, wenn wir mit großem Enthusiasmus<br />

beginnen und dann kommt nach einem halben Jahr<br />

das Drama“, sagt Angela Gomon. Freiwillige, die<br />

sich für das Thema interessieren, lädt sie zuerst zu<br />

Informationsveranstaltungen, die sie regelmäßig<br />

ausrichtet. Dort wird den Erwachsenen ein kurzer<br />

Abriss über die Regularien und Voraussetzungen<br />

präsentiert. Etwa, dass die leiblichen Eltern über<br />

ein Umgangsrecht verfügen und Pflegeeltern über<br />

ein stabiles Zuhause. Sie müssen Platz für das Kind<br />

und finanzielle und auch psychische Festigung vorweisen.<br />

Wenn die Pflegeeltern in spe – das können<br />

auch Einzelpersonen und Menschen mit oder ohne<br />

eigene Kinder sein – die Entscheidung für sich getroffen<br />

haben, durchlaufen sie das Bewerberverfahren<br />

des Jugendamtes. Es folgen Gespräche, das<br />

Ausfüllen von Unterlagen, Schulungen und auch<br />

Hausbesuche und am Ende die Bestätigung, dass<br />

die Freiwilligen Pflegeeltern sein dürfen. „Das Jugendamt<br />

sucht Eltern für Kinder und nicht umgekehrt“,<br />

betont Angela Gomon. Pflegeeltern können<br />

zwar Präferenzen äußern, etwa ob für sie ein Kind<br />

mit Handicap okay wäre, welches Geschlecht sie<br />

sich wünschen oder welches Alter, sie können sich<br />

aber keines Heraussuchen. Idealerweise kann das<br />

Jugendamt auf einen Pool aus Bewerber*innen zugreifen,<br />

um den Kindern passende Familien zu vermitteln.<br />

Leider, so Angela Gomon, wachse die Zahl<br />

der Pflegeeltern nicht im gleichen Maße wie die der<br />

Kinder. Nach Angaben der Stadt Chemnitz lebten<br />

zu Beginn des Jahres 2022 insgesamt 263 Pflegekinder<br />

in 219 Pflegefamilien. Der Bedarf nach Pflegeeltern<br />

sei stets gegeben in Chemnitz, so Gomon.<br />

Kommt es zu einem Match, einer Passung, folgt die<br />

Anbahnungsphase, die etwa sechs bis acht Wochen<br />

dauert. „Es werden erste Treffen, gemeinsames<br />

Spielen, vielleicht auch mal ein Probe-Übernachtungswoche<br />

vereinbart“, so Gomon. Diese Treffen<br />

werden stets von Fachkräften begleitet, die schauen,<br />

wie Kinder und künftige Pflegeeltern aufeinander<br />

reagieren, ob eine Passung besteht. Wenn<br />

es passt, kann das Kind danach einziehen und das<br />

Familienleben im Auftrag der Gesellschaft kann<br />

beginnen – so wie es auch die Familie Neubert seit<br />

mehr als zwei Jahrzehnten lebt.<br />

Klein anfangen:<br />

Familienpatenschaft<br />

Wer klein und mit weniger Zeit anfangen<br />

möchte, kann es auch mit einer Familienpatenschaft<br />

versuchen. Menschen im Alter von<br />

Anfang 20 bis Mitte 70 kümmern sich jeweils<br />

für ein Jahr um ein Kind in einer Familie, die<br />

sich für das Programm anmeldet und verbringt<br />

Zeit mit ihm. Nach einer Probezeit<br />

verbringen Pat*in und Kind jeweils Zeit miteinander,<br />

erklärt die Caritas-Mitarbeiterin.<br />

„Es ist als Qualitätszeit gedacht. Spielen, Ausflüge,<br />

Aufmerksamkeit schenken – was sich<br />

die Kinder eben wünschen.“ Die Patenkinder<br />

sind zwischen zwei und zehn Jahren alt, die<br />

Aktivitäten sollten dem Alter also angepasst<br />

werden. Die Paten erhalten während ihrer<br />

Patenschaft jederzeit Unterstützung und Beratung<br />

seitens der Caritas. Der Bedarf vonseiten<br />

der Familien ist sehr hoch, in Chemnitz<br />

werden deshalb dringend Familienpat*innen<br />

im Ehrenamt gesucht.<br />

Wer mehr darüber wissen<br />

möchte, kann sich online<br />

informieren unter:

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