Stadtstreicher 06-08.2023
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Kein Kosmos, keine Filmnächte, kein Bock. Die Stimmung<br />
scheint trotz Sommer schon wieder voll im Eimer.<br />
Aber ist sie das in Chemnitz nicht immer und auch schon<br />
immer gewesen? Zeit, mit der Chemnitzer Fresse ins Gericht<br />
zu gehen.<br />
NEE, DOCH<br />
KOLUMNE<br />
von Sarah Hofmann<br />
NICHT./?<br />
Übernächstes Jahr geht˚s los. Das Kulturhauptstadtjahr 2025: Gäste<br />
aus ganz Europa erfreuen sich dann in unserer Stadt kultureller Höhepunkte,<br />
Chemnitz lädt ein, führt vor. Ist das überhaupt vorstellbar?<br />
Seit einigen Jahren glänzt die Stadt vor allem mit ihrem Sommer. Dem<br />
musste mensch nämlich nicht mehr wegen lähmender Langeweile entfliehen.<br />
Eine Kultur jagte die nächste: Filmnächte, Parksommer, Fuego, Musikmeile<br />
und und und. Manche Programmpunkte waren sogar so geil, dass<br />
Menschen von außerhalb anreisten, um mit uns Chemnitzer*innen zu feiern.<br />
Beim Kosmos etwa, als wir auf einmal kurz das Gefühl bekamen, bunt,<br />
progressiv und irgendwie auch mehr zu sein. Der Chemnitzer Sommer<br />
wurde, wenn noch nicht zum Sehnsuchtsort, dann wenigstens zu einem annehmbaren<br />
urbanen Raum.<br />
Und dann das große: Nee, sorry, doch nicht – in diesem Jahr.<br />
Kosmos: abgesagt und durch eine Konferenz ersetzt, die Filmnächte fallen<br />
ins Wasser und die IBUG zieht nach Leipzig. Stattdessen: Ein Männerfestival<br />
in denen richtige Männer ihr Mannsein mal so ausleben können. Genau<br />
das, was Menschen von dieser Stadt erwarten. Dann die personelle Einbuße:<br />
Frédéric Bußmann, der Mensch, der die Kunstsammlungen mit Gegenwarten<br />
(jaja der Skoda im Schloßteich, aber eben auch Marxens Darm im<br />
Schillerpark!) und dem Openspace irgendwie cool und sich gleichzeitig gegen<br />
Faschotendenzen gerade machte, der geht und auch noch in den Westen<br />
rüber. Mist. Dann braucht der Purple Path dringend Kohle, Interventionsflächen<br />
werden nicht oder nur halbherzig umgesetzt. Und alle sind gerade<br />
so voll am recherchieren und planen und überhaupt. Pah, das wird doch nie<br />
was mit der Kulturhauptstadt, wollen wir das nicht einfach lassen, weitermachen<br />
wie vorher?<br />
Halt! Stop! Und schon sind wir dem Chemnitzerischen Lamento auf den<br />
Leim gegangen! Dieser Zustand, der die Köpfe gen Boden neigt, den Rücken<br />
zum Buckel krümmt, die Mundwinkel nach unten zieht und ein großes<br />
„Or Nö“ in den Köpfen formt. Wir alle kennen es, leben es, schon beim vergegenwärtigen<br />
dieses Bildes schwindet die Lust, sich mit der Welt und den<br />
anderen auseinanderzusetzen, sie zu prägen... sollen sie doch ihrs machen,<br />
ist uns doch egal…<br />
Nein! Raus da! Kopf nach oben, rumschauen... besser?<br />
Die Welt ist viel weniger trüb als wir in dieser Stimmung nur allzu gern<br />
glauben. Die Kulturhauptstadtfirma hat ihre Arbeit aufgenommen und ist<br />
emsig am Arbeiten, versucht sich zu connecten und Mitstreitende zu gewinnen,<br />
die Bäume pflanzen, Initiativen beitreten, mittun. Ja, vielleicht sind<br />
manche große Flagschiffveranstaltungen in diesem Jahr anders, auswärts<br />
oder weg. Aber Chemnitz ist schon lange nicht mehr die Stadt, die sie noch<br />
vor Jahren war. Stadtteilinitiativen und Vereine sind wie Pilze aus dem<br />
Boden geschossen, wer will, kann den ganzen Sommer über an den Wo-