Allgäuer Wirtschaftsmagazin_Ausgabe 3_2023

G’FROTZELT – VON ANGELIKA HIRSCHBERG
K.o. durch KI? Von wegen!
Das Raunen im Redaktionsbüro ist unüberhörbar. „Was soll der
alles können? Hausaufgaben, Gedichte, Nachrichtentexte, Programmieren
und Quantenphysik?“ – „Unfassbar! Unheimlich!
Unmöglich!“ Wir Redakteurinnen und Redakteure schütteln vehement
die Köpfe, während sich uns insgeheim die Nackenhaare
kräuseln. Der Gedanke, dass es sich von nun an ausredigiert hat,
dass künstliche Intelligenz das Nachrichten-Ruder übernimmt
und der Job am seidenen Algorithmus hängt, treibt uns den
Angstschweiß auf die Stirn. Wohlgemerkt, ich rede hier von einer
Gruppe gestandener Journalisten, die liebend gern mit einem
Hauch von Besserwissertum die Welt erklären. Und was wir
mal nicht spontan parat haben, das wird eben recherchiert, es
wird nachgehakt und aufgedeckt. Braucht halt ein bisschen Zeit.
Dass der Chatbot das aber auch alles macht, nur eben viel, viel
schneller, hat was von einem medialen Erdbeben.
Gegen die Panik, meine Liebe, hilft nur Pragmatismus. Auf die
Frage also, ob mir der Textroboter auch bei der Erstellung
dieser Glosse helfen kann, antwortet das Tool nicht ganz
unbescheiden mit: „Ja, natürlich!“ Was eine Glosse ist, kann es
mir auch sekundenschnell beantworten: „Eine Glosse ist eine
Form des Journalismus, die sich durch humorvolle, ironische
oder satirische Kritik auszeichnet.“ Wunderbar. Na, dann mal
los … Oh, der Robo-Texter hat noch nicht ausgechattet. Er merkt
an, dass „KI-generierte Inhalte oft noch nicht auf demselben
Niveau wie menschlich erstellte Inhalte sind“. Dieses „noch“
blinkt mir in den Augen wie rote Leuchtreklame und lässt die
Zukunft wieder düster werden.
Nun aber ans Eingemachte. Was hast du wirklich drauf, Junge?
„Schreib mir eine Glosse über den typischen Allgäuer!“ tippe
ich in die Chatleiste. Und die künstliche Intelligenz antwortet
prompt: „Der typische Allgäuer ist stolz auf seine Heimatregion
und deren Kultur. Er liebt die Natur, die Berge und
die frische Luft. In geselliger Runde ist er aufgeschlossen
und gastfreundlich. In seiner Freizeit ist er gerne kreativ,
sei es beim Kochen, Handarbeiten oder beim Spielen von
Musikinstrumenten. Kurzum: Der Allgäuer ist naturverbunden,
gastfreundlich und kreativ.“ Aha, ganz nett und
grammatikalisch korrekt, aber finden Sie das humorvoll, ironisch
oder satirisch? Ich nicht. Klingt wie aus der Konserve. Und ist es ja
auch.
Nun gut, eine zweite Chance sei der hochgelobten KI gewährt.
Exklusiv zu meinem Hochzeitstag möchte ich ein vierzeiliges Liebesgedicht
im Stil Goethes verfasst haben. Auch hier lässt mein
unsichtbarer Gesprächspartner nicht lange auf sich warten:
„Zwei Herzen, die als eines schlagen,
in Liebe vereint, für immer getrennt,
doch niemals getrennt in ihrem Streben,
zu einem Leben in Glück ergeben.“
Da bleibt mir doch die Spucke weg. Ob Goethe sich gerade im
Grab umdreht? Mein Fazit: Schlecht gereimt ist gedichtet genug.
Ich klappe den Laptop zu und lehne mich zurück. Es geht doch
nichts über menschlich generierte Poesie. Auch wenn’s ein bisschen
länger dauert.
3 | 2023
2023
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