Art Quarterly - Luxury can be Art
Art Quarterly ist ein Magazin für alle Kunst- und Kulturliebhaber. Neben zahlreichen Informationen über die aktuelle Kunstszene und den zurzeit laufenden Ausstellungen in Österreich und Deutschland präsentieren wir Ihnen auch immer die aktuellen Top-Beauty-Trends.
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ÜBER<br />
SEHEN<br />
UND TROTZDEM<br />
IM PARNASS<br />
ANGEKOMMEN<br />
Das verkannte Genie Lucas Cranach<br />
der Jüngere und sein Einfluss auf die<br />
Renaissance<br />
LUCAS CRANACH DER J ÜNGERE (1515-1586), Lucretia, nach 1537, circa 1540 - 1545, Öl auf Holz<br />
Es gibt nur ganz wenige große Künstler, die von ihren Zeitgenossen,<br />
a<strong>be</strong>r auch in weiterer Folge von den Federführern<br />
der Kunstgeschichte derartig verschmäht und unterschätzt<br />
wurden, wie Lucas Cranach der Jüngere. Dieser kurze Abriss<br />
ü<strong>be</strong>r Le<strong>be</strong>n und Werk des genialen Künstlers soll dem wahren<br />
Talent des Säulenheiligen der Renaissancemalerei ein wenig<br />
Gerechtigkeit bringen.<br />
Text: NIKOLAUS IMMANUEL KÖHLER<br />
W<br />
ie so oft zwischen Vätern<br />
und Söhnen herrscht<br />
eine un<strong>be</strong>schreibliche<br />
<strong>Art</strong> zwischen Devotheit<br />
und dem festen Entschluss<br />
zur Palastrevolte, so e<strong>be</strong>n auch im<br />
Hause Cranach. Ein Umstand, der nicht zuletzt<br />
dadurch geschuldet war, dass sich Lucas<br />
Cranach der Ältere, der seinen Namen von<br />
seiner Geburtsstadt Kronach ableitete, die<br />
edelsten Aufträge herauspickte, während er<br />
die Mittelmäßigen von seinen Angestellten,<br />
darunter auch seinen <strong>be</strong>iden Söhnen Hans<br />
und Lucas, abar<strong>be</strong>iten ließ. Ü<strong>be</strong>r den Vater ist<br />
nur <strong>be</strong>kannt, dass er mit eiserner Faust regier-<br />
te und seine Rolle als Patriarch im Hause und<br />
in der Werkstatt Cranach durch nichts und<br />
niemanden infrage stellen ließ.<br />
Zu Unrecht wurde Cranach der Jüngere <strong>be</strong>reits<br />
von seinen frühesten Biografen herabwürdigend<br />
dargestellt; so schrieb etwa Max<br />
Friedländer: Seine Zeichenkünste wären<br />
dünn und ausdrucksschwach gewesen, und<br />
Jakob Rosen<strong>be</strong>rg ging sogar so weit zu <strong>be</strong>haupten,<br />
die meisten seiner Bildkompositionen<br />
wären spröde und einfallslos gewesen.<br />
Und als ob diese Schmähungen nicht schon<br />
schlimm genug wären, erdreistete sich der<br />
Kunsthistoriker Gustav Friedrich Hartlaub<br />
zu der Aussage: „Es handelt sich <strong>be</strong>i dem jüngeren<br />
Cranach keinesfalls um ein Originalgenie,<br />
sondern <strong>be</strong>stenfalls um einen gediegenen<br />
Fortsetzer, der die Größe des Vaters dem<br />
aufkeimenden, gewandelten Zeitgeschmack<br />
einer jüngeren Generation aus merkantilen<br />
Gründen anzupassen suchte."<br />
Der Vater war in erster Linie dem Hof und<br />
seinen Hofstaat verschrie<strong>be</strong>n und schuf eine<br />
endlose Flut an Porträts und kann dadurch<br />
durchaus als Günstling der Reichen und<br />
Mächtigen seiner Zeit angesehen werden.<br />
Seine Söhne stellte er, sofern er sie ü<strong>be</strong>rhaupt<br />
zu seinen erlauchten Kunden mitnahm, allenfalls<br />
als talentfreie Handlanger dar. A<strong>be</strong>r<br />
nicht nur dieser unmenschliche Wesenszug<br />
des Vaters war für die geringe Wertschätzung<br />
des Jüngeren verantwortlich, vielmehr<br />
folgte die Cranach'sche Werkstatt der Idee,<br />
dass es keiner eigenen Handschrift des Einzelnen<br />
<strong>be</strong>durfte, sondern immer und immer<br />
wieder die Handschrift des einzigen Künstlers<br />
– des Vaters – zu setzen ist. Cranach war<br />
also kein Kunstatelier, sondern eine frühe<br />
Reproduktionsanstalt. Die geflügelte Schlange<br />
– das Wappentier der Cranachs – war<br />
eine <strong>Art</strong> Gütesiegel, a<strong>be</strong>r weit ab von einer<br />
62 AQ FRÜHJAHR/SOMMER 2021 www.art-quarterly.com<br />
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FRÜHJAHR/SOMMER 2021 AQ 63