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2012 1. 2. 3. 5. 7. 9. 8. Wissenswerte Änderungen im neuen ... - Iurratio

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unterbleibt. 61 Schlagwortartig kann daher in Abgrenzung zur nominellen<br />

„Unterkapitalisierung durch Fremdkapitalisierung“ von „Unterkapitalisierung<br />

durch Nichtkapitalisierung“ gesprochen werden. 62<br />

Sodann wird zwischen der einfachen und der qualifi zierten Unterkapitalisierung<br />

unterschieden. Letztere liegt vor, wenn die Gesellschaft<br />

eindeutig und für Insider klar erkennbar unzureichend mit Eigenkapital<br />

ausgestattet ist, sodass bei normalem Geschäft sverlauf ein Misserfolg<br />

zulasten der Gläubiger mit hoher, das gewöhnliche Geschäft srisiko<br />

deutlich übersteigender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. 63<br />

bb) Haft ung wegen materieller Unterkapitalisierung<br />

Die Annahme einer Haft ung wegen materieller Unterkapitalisierung<br />

ist nicht unproblematisch. Sie setzt voraus, dass die Gesellschaft er<br />

eine über die Kapitalerhaltung hinausgehende Pfl icht haben, die<br />

Gesellschaft entsprechend dem Geschäft sumfang mit genügend Eigenkapital<br />

auszustatten. 64 Das Gesetz schreibt allerdings nur vor, dass<br />

nach § 5 GmbHG bei Gründung der Gesellschaft das erforderliche<br />

Stammkapital aufgebracht sein muss und danach gemäß §§ 30, 31<br />

GmbHG erhalten bleibt. Gerade die Möglichkeit der Gründung einer<br />

UG (haft ungsbeschränkt) zeigt, dass das Eigenkapital nicht in einem<br />

angemessenen Verhältnis zum angestrebten oder tatsächlichen Geschäft<br />

sumfang stehen muss. Der Gläubigerschutz würde bei einer<br />

Haft ung wegen materieller Unterkapitalisierung auch überdehnt, da<br />

ein Vertragspartner es selbst in der Hand hat, sich ausreichend über<br />

die wirtschaft liche Situation der Gesellschaft zu informieren und gegebenenfalls<br />

persönliche Sicherheiten zu fordern. 65 Zudem könnte<br />

eine Pfl icht zur angemessenen Kapitalausstattung der Finanzierungsentscheidung<br />

der Gesellschaft er widersprechen, die es erlaubt, selbst<br />

zu best<strong>im</strong>men, wie viel Kapital und in welcher Form sie dieses zur<br />

Verfügung stellen wollen. 66<br />

Teile der Literatur sprechen sich allerdings für eine Haft ung in Fällen<br />

einer qualifi zierten materiellen Unterkapitalisierung aus. 67 Da die<br />

Gläubiger <strong>im</strong> Fall einer bloß nominellen Unterkapitalisierung durch<br />

die Vorschrift en über die Nachrangigkeit von Gesellschaft erdarlehen<br />

68 geschützt werden, dürfe es keinen Unterschied machen, ob<br />

die Gesellschaft er den Finanzbedarf durch Darlehen oder Eigenkapital<br />

gedeckt haben. 69 Die Rechtsprechung ist hier eher restriktiv. 70<br />

So betont der BGH, dass das GmbH-Gesetz lediglich die Entnahmesperre<br />

zugunsten des Stammkapitals (§ 30, 31 GmbHG), nicht<br />

aber eine darüber hinausgehende Rechtspfl icht der Gesellschaft er zu<br />

ausreichender Finanzausstattung vorsehe. 71 Deshalb komme mangels<br />

gesetzlicher Regelungslücke eine richterliche Rechtsfortbildung dahingehend<br />

nicht in Betracht. 72 Anders stelle sich die Situation nur<br />

dar, wenn die materielle Unterkapitalisierung durch einen existenzvernichtenden<br />

Eingriff des Gesellschaft ers hervorgerufen worden<br />

sei. 73 Der Rechtsprechung ist vor allem unter dem Gesichtspunkt der<br />

Gesetzestreue (§ 5 Abs. 1 GmbHG) zu folgen. 74<br />

61 Vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, 1<strong>9.</strong> Aufl . 2010, § 13 Rn. 47; Bitter, in: ZInsO 2010, 1561<br />

(1580).<br />

62 K.Schmidt, in: ZIP 1981, 689 (690); Bitter, in: ZInsO 2010, 1561 (1580).<br />

63 Kindl, Gesellschaft srecht, 2011, § 28 Rn. 9 m.w.N..<br />

64 Vgl. Ulmer, in: Hachenburg, GmbHG, <strong>8.</strong> Aufl . 1992, Anhang § 30 Rn. 1; Michalski/Funke, in: Michalski,<br />

GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl age 2010, § 13 Rn. 37<strong>7.</strong><br />

65 Vgl. Saenger, Gesellschaft srecht, 2010, § 17 Rn. 80<strong>5.</strong><br />

66 Michalski/Funke, in: Michalski, GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl age 2010, § 13 Rn. 37<strong>7.</strong><br />

67 Z.B. Lutter, in: Lutter/Hommelhoff , GmbHG, 1<strong>7.</strong> Aufl . 2009; § 13 Rn. 16; Raiser/Veil, Recht der<br />

Kapitalgesellschaft en, <strong>5.</strong> Aufl . 2010, § 29 Rn. 44.<br />

68 § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO; vor MoMiG §§ 32a, 32b GmbHG a. F..<br />

69 Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaft en, <strong>5.</strong> Aufl . 2010, § 29 Rn. 46.<br />

70 Etwa BGHZ 68, 312; BAG, NJW 1999, 740; BAG, NJW 1999, 229<strong>9.</strong><br />

71 BGHZ 176, 204.<br />

72 BGHZ 176, 204.<br />

73 BGHZ 176, 204.<br />

74 Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaft srecht, <strong>5.</strong> Aufl . 2011, § 14 Rn. 8<strong>7.</strong><br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 1 / <strong>2012</strong><br />

c) Existenzvernichtender Eingriff<br />

Titelthema<br />

Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH 75 ist die Durchgriff shaft<br />

ung als eine Schadensersatzhaft ung des Gesellschaft ers gegenüber<br />

der GmbH nach § 826 BGB ausgestaltet, welche vom Insolvenzverwalter<br />

geltend gemacht wird. Genau betrachtet kann die<br />

Haft ung wegen existenzvernichtenden Eingriff s nicht mehr als Haftungsdurchgriff<br />

bezeichnet werden, da es sich um einen deliktischen<br />

Schadensersatzanspruch in Form einer Binnenhaft ung handelt. In<br />

der Klausurbearbeitung sollte dies bereits <strong>im</strong> Obersatz deutlich gemacht<br />

werden. Jener könnte lauten: „Die GmbH könnte gegen den<br />

Gesellschaft er einen Anspruch auf Schadensersatz wegen existenzvernichtenden<br />

Eingriff s auf Grundlage von § 826 BGB haben, welcher<br />

durch den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO geltend<br />

gemacht würde.“ 76<br />

aa) Tatbestand<br />

aaa) Eingriff in das Gesellschaft svermögen ohne Rechtfertigung oder<br />

Kompensation<br />

Ein Eingriff in das Gesellschaft svermögen besteht in der Entziehung<br />

vermögensrelevanter Vorteile zu betriebsfremden Zwecken. 77 Dies<br />

setzt begriff snotwendig positives Tun voraus. 78 Maßgeblich ist dabei<br />

die Missachtung der Zweckbindung des Gesellschaft svermögens zur<br />

vorrangigen Befriedigung der Gläubiger. 79 Dabei ist der Vermögensbegriff<br />

nicht auf das bilanzielle Vermögen der Gesellschaft begrenzt.<br />

Vielmehr fallen darunter auch Geschäft schancen, der Abzug notwendigen<br />

Personals, die Verlagerung von Produktion oder die Belastung<br />

von Gesellschaft svermögen für fremde Schulden. 80 In einem<br />

der jüngsten Urteile sieht der BGH einen Vermögenseingriff in der<br />

prozessualen Vereitelung der Durchsetzung eines bestehenden Anspruchs<br />

der GmbH gegen ihren Alleingesellschaft er durch Herbeiführung<br />

eines rechtskräft igen Versäumnisurteils. 81 Keinesfalls ausreichend<br />

sind hingegen bloße Managementfehler. 82 Haft ungsrelevantes<br />

Verhalten liegt dann vor, wenn der Gesellschaft er die GmbH durch<br />

Abzug aller Ressourcen quasi „auf kaltem Wege“, d. h. entgegen den<br />

Vorschrift en §§ 66 ff . GmbHG, liquidiert. 83<br />

Durch die Verortung der Haft ung <strong>im</strong> Deliktsrecht besteht grundsätzlich<br />

die Möglichkeit einer Teilnehmerhaft ung nach §§ 830 Abs.<br />

2, Abs. 1, 826 BGB. 84<br />

Die Gesellschaft er sind nicht haft bar, wenn der Eingriff gerechtfertigt<br />

ist oder kompensiert wurde. 85 Gerechtfertigt ist der Eingriff dann,<br />

wenn dem Gesellschaft er ein subjektives Recht zusteht, er z. B. ein<br />

Nutzungsverhältnis wegen Zahlungsverzugs kündigen darf 86 oder<br />

der Gesellschaft eine marktgerechte Gegenleistung zufl ießt 87 . Eine<br />

Kompensation liegt etwa darin, dass der Gesellschaft an den entzogenen<br />

Vermögensgegenständen ein Nutzungsrecht eingeräumt wird. 88<br />

75 BGHZ 173, 246; BGHZ 176, 204; BGHZ 179, 344.<br />

76 T<strong>im</strong>m/Schöne, Fälle zum Handels- und Gesellschaft srecht, Band II, <strong>7.</strong> Aufl . 2010, S. 14<strong>3.</strong><br />

77 Vgl. Wicke, GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl . 2011, § 13 Rn. 6.<br />

78 BGHZ 176, 204.<br />

79 BGHZ 151, 181 (186).<br />

80 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff , GmbHG, 1<strong>7.</strong> Aufl . 2009, § 13 Rn. 34.<br />

81 BGHZ 179, 344.<br />

82 BGH, ZIP 2005, 250; zur Business Judgment Rule des § 93 AktG <strong>im</strong> GmbH-Recht vgl. Scholl, in:<br />

Götze/Lang, Strategisches Management zwischen Globalisierung und Regionalisierung, 2009, S. 148 ff .<br />

83 Bitter, Gesellschaft srecht, 2011, § 4 Rn. 25<strong>3.</strong><br />

84 Vgl. BGHZ 173, 246; dazu Schneider, in: GmbHR 2011, 685 (689).<br />

85 BGHZ 173, 46; BGH, GmbHR 2008, 929 (930).<br />

86 BGHZ 173, 246.<br />

87 BGHZ 173, 246; dazu Weller, in: ZIP 2007, 1681 (1685).<br />

88 BGHZ 173, 246; dazu Weller, in: ZIP 2007, 1681 (1685).<br />

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