2012 1. 2. 3. 5. 7. 9. 8. Wissenswerte Änderungen im neuen ... - Iurratio
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) Beruf <strong>im</strong> Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG<br />
aa) Defi nition<br />
Ein Beruf ist „jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit (…), die auf Dauer<br />
angelegt ist und der Schaff ung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage<br />
dient“. 13<br />
bb) Weiter Berufsbegriff<br />
Das BVerfG vertritt einen „weiten“ Berufsbegriff . Es sieht die Berufsfreiheit<br />
auch als Teil der freien Entfaltung der Persönlichkeit an. Die<br />
Berufstätigkeit dient nicht nur dem Erwerb und der Aufrechterhaltung<br />
bzw. Finanzierung einer Lebensgrundlage sondern steht auch<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Einzelnen, die wiederum<br />
durch die Berufsausübung geprägt wird. 14<br />
Deshalb umfasst Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG nicht nur solche Berufe, die<br />
best<strong>im</strong>mten traditionellen oder sogar rechtlich fi xierten Berufsbildern<br />
(wie z.B.: Lehrer, Schornsteinfeger) entsprechen, sondern auch<br />
die vom Einzelnen frei gewählten untypischen Tätigkeiten. 15<br />
cc) Verbotene Tätigkeiten<br />
Ein klausurrelevantes Problem ist, ob zu einem Beruf auch Tätigkeiten<br />
zählen, die gesetzlich verboten sind (z.B.: Drogenhändler). Nach<br />
der Rechtsprechung gilt der Grundsatz, dass solche Tätigkeiten nicht<br />
per se vom Schutzbereich ausgenommen sind. Es sind nur solche<br />
gesetzlich verbotenen Tätigkeiten ausgenommen, die aufgrund ihrer<br />
Sozial- und Gemeinschaft sschädlichkeit schon ihrem Wesen nach als<br />
unerwünscht und daher als verboten anzusehen sind. 16 Hierzu gehört<br />
klassischerweise die Tätigkeit eines Berufskillers. Zu den verbotenen<br />
Tätigkeiten, die vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG<br />
umfasst sind, gehört dagegen beispielsweise Schwarzarbeit 17 . Für die<br />
Unterscheidung kommt es maßgeblich darauf an, ob das Verhalten<br />
an sich als unerlaubt anzusehen ist (wie z.B.: Mord) oder nur die berufl<br />
iche bzw. gewerbliche Ausübung des jeweiligen Verhaltens. Dies<br />
wird deutlich anhand der aktuellen Rechtsprechung des BVerfG zum<br />
unerlaubten Glücksspiel. 18 Das BVerfG hatte in dem Sportwettenurteil<br />
19 darüber zu entscheiden, ob ein privater Sportwettenanbieter<br />
sich auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann. Nach den maßgeblichen<br />
gesetzlichen Regelungen war das Veranstalten von Sportwetten nur<br />
durch staatliche Anbieter erlaubt. Das Anbieten von Sportwetten<br />
durch private Unternehmer stellte daher grundsätzlich eine Straft at<br />
gemäß § 284 StGB dar. Das BVerfG entschied, dass sich private Anbieter<br />
von Sportwetten auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können. Das<br />
Kernargument war, dass die Rechtsordnung die gewerbliche Veranstaltung<br />
von Sportwetten auch als erlaubte Tätigkeit kennt. 20<br />
III. EINGRIFF<br />
Ein Grundrechtseingriff liegt grundsätzlich vor, wenn staatliches<br />
Handeln dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich<br />
fällt, unmöglich macht oder erschwert. 21 Bei Art. 12 Abs. 1 GG gelten<br />
Besonderheiten. 22 Zunächst sind solche staatlichen Maßnahmen<br />
(insbesondere Gesetze) Eingriff e, die gezielt ein Verhalten unterbin-<br />
13 BVerfGE 105, 252 (265) m.w.N.<br />
14 BVerfGE 7, 377 (397).<br />
15 BVerfGE 7, 377 (397).<br />
16 z.B.: BVerfGE 115, 276 (300 f.).<br />
17 So z.B.: Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 2<strong>7.</strong> Aufl age 2011, S. 215, Rn. 880.<br />
18 BVerfGE 115, 265; BVerfG, Urt. v. 30.1<strong>1.</strong>2010, Az.: 1 BvL 3/0<strong>7.</strong><br />
19 BVerfGE 115, 26<strong>5.</strong><br />
20 BVerfGE 115, 276 (301).<br />
21 Detterbeck, Öff entliches Recht, <strong>8.</strong> Aufl age 2011, S. 118 ff ., Rn. 282 ff mit ausführlicher Darstellung.<br />
22 Ausführlich Epping, Grundrechte, 4. Aufl age 2009, S. 161 ff ., Rn. 376 ff .<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 1 / <strong>2012</strong><br />
Ausbildung<br />
den, das in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt. 23 Hierzu<br />
würde beispielsweise das Verbot der Produktion von Absatzschuhen<br />
gehören. Ein solches Verbot betrifft zielgerichtet die Berufsausübung<br />
eines Schuhproduzenten.<br />
Problematisch sind Maßnahmen, die die Ausübung der Berufsfreiheit<br />
nur mittelbar oder faktisch beeinträchtigen. 24 Hierzu gehören<br />
z.B.: gesetzliche Regelungen, die die Ausübung eines Berufs nicht<br />
unmittelbar regeln. Ein Beispiel hierfür wäre die Straßenverkehrsordnung,<br />
die allgemein den Straßenverkehr regelt, sich aber auch<br />
auf die Berufsausübung eines Taxifahrers auswirkt. Solche Best<strong>im</strong>mungen<br />
sind dann Eingriff e in Art. 12 Abs. 1 GG, wenn sie in einem<br />
engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und<br />
über eine objektiv-berufsregelnde Tendenz verfügen. 25 In unserem<br />
Beispiel der Straßenverkehrsordnung wäre ein solche objektiv-berufsregelnde<br />
Tendenz nicht gegeben. 26<br />
IV. VERFASSUNGSRECHTLICHE RECHTFERTIGUNG<br />
<strong>1.</strong> ART. 12 ABS. 1 S. 2 ALS EINHEITLICHER GESETZESVORBEHALT<br />
Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG best<strong>im</strong>mt, dass die Berufsausübung durch und<br />
aufgrund eines Gesetzes geregelt werden kann und enthält daher<br />
eine ausdrückliche Schrankenregelung nur für die Berufsausübung.<br />
Es stellt sich also die Frage, ob Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auch für Eingriff<br />
e in die Berufswahl gilt. Wie soeben dargestellt, 27 enthält Art. 12<br />
Abs. 1 S. 1 GG ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit. Denn<br />
Berufswahl und Berufsausübung können zeitlich nicht voneinander<br />
getrennt werden. Deshalb gilt Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG auch für Eingriffe<br />
in die Berufswahl und regelt daher einen einheitlichen Gesetzesvorbehalt<br />
für alle Eingriff e in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG. 28<br />
<strong>2.</strong> DIE DREI-STUFEN-THEORIE<br />
Bei Art. 12 Abs. 1 GG gelten auf der Rechtfertigungsebene Besonderheiten.<br />
In die Berufsfreiheit kann mit unterschiedlicher Intensität<br />
eingegriff en werden. Ein besonders intensiver Eingriff ist ein Gesetz,<br />
das die Wahl eines Berufes unmöglich macht (z.B.: durch das Verbot<br />
einer Tätigkeit). Dagegen stellt eine Regelung, die lediglich die Art<br />
und Weise der Berufsausübung (z.B.: Verbot in einer best<strong>im</strong>mten<br />
Art und Weise für seine Tätigkeit zu werben) betrifft , einen weniger<br />
intensiven Eingriff dar. Denn der Einzelne kann weiterhin den<br />
von ihm gewählten Beruf ausüben. Gleichzeitig werden aber durch<br />
die Aufnahme und Ausübung eines Berufs auch verstärkt Interessen<br />
Dritter (z.B.: Kunden, Verbraucher, Patienten) und damit auch das<br />
Gemeinwohl betroff en. 29 Daher hat das BVerfG <strong>im</strong> berühmten Apothekenurteil<br />
die sog. Drei-Stufen-Th eorie entwickelt. 30 Diese unterscheidet<br />
hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen<br />
nach drei verschiedenen Intensitätsstufen des Eingriff s.<br />
a) Stufe 1: Objektive Berufswahlbeschränkungen<br />
Der intensivste Eingriff sind objektive Berufswahlbeschränkungen.<br />
Das sind Regelungen, die die objektiven Bedingungen der Berufszulassung<br />
betreff en. Sie sind unabhängig von den persönlichen Qualifi<br />
kationen des Bewerbers und der Einzelne hat auf die Erfüllung der<br />
objektiven Bedingungen keinen Einfl uss. 31 Ein Beispiel hierfür<br />
23 Detterbeck, Öff entliches Recht, <strong>8.</strong> Aufl age 2011, S. 193, Rn. 466.<br />
24 Ausführlich Detterbeck, Öff entliches Recht, <strong>8.</strong> Aufl age, S. 194, Rn. 467 f.<br />
25 Siehe nur BVerfGE 70, 191 (214).<br />
26 Vgl. Epping, Grundrechte, 4. Aufl age 2009, S. 166, Rn. 38<strong>7.</strong><br />
27 Siehe oben Ziff . II. <strong>2.</strong> a).<br />
28 Ausführlich Epping, Grundrechte, 4. Aufl age 2009,S. 167, Rn. 38<strong>9.</strong><br />
29 Vgl. BVerfGE 7, 377 (402 f.).<br />
30 BVerfGE 7, 377 (405 ff .).<br />
31 BVerfGE 7, 377 (407).<br />
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