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2012 1. 2. 3. 5. 7. 9. 8. Wissenswerte Änderungen im neuen ... - Iurratio

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a) Missbrauchstatbestand<br />

D hat als director die Befugnis, über fremdes Vermögen (nämlich<br />

das Vermögen der A-l<strong>im</strong>ited) zu verfügen und die A-l<strong>im</strong>ited zu verpfl<br />

ichten. Er ist damit tauglicher Täter des § 266 I, <strong>1.</strong> Alt. StGB. Auch<br />

müsste die A-l<strong>im</strong>ited als rechtsfähige Person anzusehen sein. Denn<br />

bei Nichtigkeit der Gesellschaft wäre auch die Bestellung als director<br />

nicht wirksam. Nach der Rechtsprechung des EuGH – und mittlerweile<br />

auch des BGH – ist anerkannt, dass in einem Mitgliedsstaat der<br />

EU gegründete Gesellschaft en ihre Rechtsfähigkeit nicht verlieren,<br />

wenn sie ihren tatsächlichen Sitz in einen anderen Mitgliedsstaat<br />

verlegen, selbst wenn sie ausschließlich dort geschäft lich tätig werden<br />

(sog. Gründungstheorie). 5 Ausnahmen werden gemacht, wenn<br />

die <strong>im</strong> Ausland gegründete Gesellschaft zu rechtsmissbräuchlichen<br />

Zwecken genutzt werden soll 6 . Hinweise darauf bestehen nicht, denn<br />

A will lediglich das persönliche Haft ungsrisiko min<strong>im</strong>ieren.<br />

Be<strong>im</strong> Missbrauchstatbestand muss der Täter rechtsgeschäft lich handeln<br />

7 und dabei die rechtlichen Grenzen des Dürfens (Innenverhältnis)<br />

unter Wahrung des rechtlichen Könnens (Außenverhältnis)<br />

überschreiten. 8,9 Im Allgemeinen stellen Verfügungen, wie z.B. der<br />

Ausgleich einer Rechnung durc h eine Banküberweisung, ein rechtsgeschäft<br />

liches Handeln dar. 10 Allerdings muss die Verfügung auch<br />

rechtlich wirksam sein, 11 um den Missbrauchstatbestand zu erfüllen.<br />

Grundsätzlich kann D kraft seiner Stellung als director rechtlich<br />

wirksam er das Geschäft skonto der A-l<strong>im</strong>ited verfügen. Allerdings<br />

wirkt D hier mit B kollusiv zusammen, um die A-l<strong>im</strong>ited zu schädigen,<br />

so dass die Verfügung nach zivilrechtlichen Maßstäben, § 138<br />

BGB, unwirksam ist. 12 Streitig ist, ob in Fällen der Kollusion dennoch<br />

der Missbrauchstatbestand einschlägig ist.<br />

aa) Die h.M. verneint bei einem kollusiven Zusammenwirken zwischen<br />

dem Vertreter und der anderen Person den Missbrauchstatbestand<br />

aufgrund der fehlenden rechtlichen Wirksamkeit. 13 Der Missbrauchstatbestand<br />

habe die eigenständige Funktion, den Treugeber<br />

vor den rechtlichen Gefahren einer pfl ichtwidrigen (und wirksamen)<br />

Ausübung einer rechtlichen Stellung zu schützen. Eine strafrechtsautonome<br />

Best<strong>im</strong>mung der Missbrauchsalternative würde diese<br />

Tatbestandsalternative von der Befugnisorientierung lösen und dadurch<br />

ein Delikt für die vorsätzliche Schädigung fremden Vermögens<br />

schaff en. 14 Demnach wäre der Missbrauchstatbestand wegen der<br />

Unwirksamkeit der Verfügungen nicht gegeben.<br />

bb) Dagegen argumentieren einige, auch bei Kollusion könne man<br />

vom Missbrauch der Vertretungsmacht sprechen, denn auch bei<br />

rechtlicher Unwirksamkeit des Rechtsgeschäft s habe der Täter<br />

zumindest seine Befugnis missbraucht. Zudem komme es durch<br />

den Missbrauch der Verfügungsbefugnis tatsächlich zu einem<br />

5 EuGH NJW 2002, 3614 (Überseering); NJW 2003, 3331 (Inspire Art); BGHZ 154, 185; 164, 14<strong>8.</strong><br />

6 EuGH NJW 2003, 3331, 3334 (Inspire Art.)<br />

7 Seier/ Martin, JuS 2001, 874, 87<strong>5.</strong><br />

8 BGHSt 5, 61, 63; BGH wistra 1988, 191; Fischer, Kommentar zum StGB, 5<strong>9.</strong> Aufl . <strong>2012</strong>, § 266 Rn. <strong>9.</strong><br />

9 Vgl. BGH wistra 1993, 225, 226; OLG Hamm wistra 1999, 350, 35<strong>3.</strong><br />

10 BGHSt 50, 299 (313); BGH NStZ 2007, 579, 580; Saliger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, Kommentar<br />

zum StGB, <strong>1.</strong> Aufl . 2009, § 266 Rn. 21 m.w.N.<br />

11 Vgl. zur Nichtigkeit bei Kollusion Ellenberger, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 7<strong>1.</strong> Aufl . <strong>2012</strong>,<br />

§ 164 Rn. 1<strong>3.</strong><br />

12 BGHSt 50, 299 (313 f.); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar zum StGB, <strong>3.</strong> Aufl . 2010, § 266 Rn. 90;<br />

Perron, in: Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB, 2<strong>8.</strong> Aufl . 2010, § 266 Rn. 17; Saliger (Fn. 9), §<br />

266 Rn. 21 m.w.N.; Dierlamm, in: Münchener Kommentar zum StGB, <strong>1.</strong> Aufl . 2006, § 266 Rn. 119 ff .;<br />

Fischer (Fn. 7), § 266 Rn. 2<strong>7.</strong><br />

13 Saliger (Fn. 9), § 266 Rn. 2<strong>1.</strong><br />

14 Arzt, in: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns zum 70. Geburtstag, 1978, S. 365, 372 f.; ebenso Geff ers,<br />

Die Bedeutung des § 134 BGB für die Tathandlungen der Vermögensdelikte <strong>im</strong> Strafgesetzbuch, 2004,<br />

S. 8<strong>8.</strong><br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 1 / <strong>2012</strong><br />

Fallbearbeitung<br />

Schadenseintritt, auch wenn die Verfügung unwirksam sein sollte. 15<br />

Die h.M. sei widersinnig, indem sie gerade den besonders groben<br />

Missbrauch durch Kollusion nicht unter den Missbrauchstatbestand<br />

subsumiere, und dadurch u.U. Strafb arkeitslücken verursache. 16<br />

Denkbar ist es auch zu argumentieren, dass das Wirksamkeitserfordernis<br />

ohnehin absurd ist, da ein Rechtsgeschäft , das eine strafb are<br />

Untreue begründet, ohnehin zivilrechtlich nichtig ist. 17 Demnach<br />

würde die Kollusion den Missbrauchstatbestand nicht ausschließen.<br />

cc) Für die h.M. spricht vor allem, dass bei einer rechtlichen Unwirksamkeit<br />

mangels rechtlicher Bindung kein Missbrauch der<br />

Vertretungsmacht, 18 sondern lediglich ein treuwidriges Verhalten<br />

vorliegt.<br />

Bearbeiterhinweis: Der Streit musste nicht in dieser Ausführlichkeit<br />

dargestellt werden. Wer den Missbrauchstatbestand weiter prüft ,<br />

muss kurz auf den Streit um das Erfordernis einer Vermögensbetreuungspfl<br />

icht eingehen. Auf einen Streitentscheid kommt es jedoch<br />

nicht an, da nach den einschlägigen gesellschaft srechtlichen Regelungen<br />

D als director verpfl ichtet war, die Vermögensinteressen der<br />

A-l<strong>im</strong>ited zu betreuen.<br />

b) Treubruchtatbestand<br />

Das kollusive Zusammenwirken zwischen D und B könnte aber den<br />

Treubruchtatbestand erfüllen 19 . Dazu müsste D zunächst eine Vermögensbetreuungspfl<br />

icht gegenüber der A-l<strong>im</strong>ited gehabt haben.<br />

Gem. § 266 I StGB kann die Betreuungspfl icht durch Gesetz, behördlichen<br />

Auft rag oder Rechtsgeschäft eingeräumt werden. Eine Vermögensbetreuungspfl<br />

icht liegt vor, wenn fremde Vermögensinteressen<br />

von einiger Bedeutung eigenverantwortlich wahrgenommen werden<br />

sollen, dies <strong>im</strong> Interesse des Geschäft sherrn geschieht 20 und den wesentlichen<br />

Inhalt des Vertragsverhältnisses ausmacht. 21 Da vertragliche<br />

Vereinbarungen zwischen A und D er die Befugnisse des D nicht<br />

existieren, kommt allein eine Pfl icht kraft Gesetzes in Betracht.<br />

Problematisch ist dabei, dass ein Rückgriff auf das deutsche Gesellschaft<br />

srecht nicht zulässig ist, da nach der Gründungstheorie das Gesellschaft<br />

srecht des Gründungsortes (also hier England) anwendbar<br />

ist. 22 Dadurch hängt die Strafb arkeit des D wegen Untreue maßgeblich<br />

von einem Rückgriff auf englisches Gesellschaft srecht ab.<br />

aa) In der Literatur werden gegen einen solchen Rückgriff Bedenken<br />

erhoben: Es widerspreche dem Best<strong>im</strong>mtheitsgebot und dem<br />

Parlamentsvorbehalt, wenn sich eine Strafb arkeit gem. § 266 I StGB<br />

erst durch die Heranziehung ausländischen Rechts ergeben würde.<br />

Insbesondere sei ein Rückgriff auf ausländisches Gesellschaft srecht<br />

unzulässig, wenn es keine vergleichbaren Regelungen <strong>im</strong> deutschen<br />

Recht gebe. Eine „Lückenfüllung“ durch ausländisches Recht verstoße<br />

gegen Art. 103 II GG. 23<br />

15 Arzt (Fn. 13), S. 365, 374 f.; ähnlich auch Schünemann, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Band 7,<br />

1<strong>1.</strong> Aufl . 2005, § 266 Rn. 32 ff ., der den Missbrauchstatbestand auf jedes rechtsgeschäft liche Handeln –<br />

unabhängig ob es wirksam oder unwirksam ist – anwendet.<br />

16 Vgl. Geff ers (Fn. 13), S. 81 f.<br />

17 BGH bei Holtz, MDR 1983, 92; Lampe, GA 1987, 241, 24<strong>7.</strong><br />

18 Vgl. BGHSt 50, 299 (314); Fischer (Fn. 7), § 266 Rn. 27; Lampe, GA 1987, 242, 24<strong>8.</strong><br />

19 Vgl. BGHSt 50, 299; 314; Fischer (Fn. 7), § 266 Rn. 27; Lampe, GA 1987, 242, 24<strong>8.</strong><br />

20 BGHSt 24,386, 38<strong>7.</strong><br />

21 BGHSt 33, 244, 250.<br />

22 Rönnau, ZGR 2005, 832, 840; Schlösser, wistra 2006, 81, 88; Mosiek, StV 2008, 94, 98; a.A. etwa<br />

Hinderer, Insolvenzstrafrecht und EU-Niederlassungsfreiheit, 2010, S. 155 f.<br />

23 BGH NStZ 2010, 632, 634.<br />

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