2012 1. 2. 3. 5. 7. 9. 8. Wissenswerte Änderungen im neuen ... - Iurratio
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<strong>3.</strong> RECHTFERTIGUNG<br />
Fraglich ist, ob der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.<br />
a) Formelle Rechtmäßigkeit<br />
Ein Gesetz ist formell rechtmäßig, wenn es von der zuständigen Körperschaft<br />
(Bund oder Land) ordnungsgemäß erlassen worden ist.<br />
Das LGG ist formell rechtmäßig (siehe Sachverhalt).<br />
b) Materielle Rechtmäßigkeit<br />
Fraglich ist, ob § 3 LGG materiell rechtmäßig ist. Um die materiellen<br />
Rechtmäßigkeitsanforderungen zu ermitteln, ist zunächst zu<br />
best<strong>im</strong>men, welche Eingriff sstufe <strong>im</strong> Sinne der Drei-Stufen-Th eorie<br />
vorliegt. § 3 LGG könnte eine Berufsausübungsregel darstellen. Eine<br />
Berufsausübungsregel liegt vor, wenn eine gesetzliche Best<strong>im</strong>mung<br />
die Art und Weise der Ausübung der Berufstätigkeit regelt. § 3 LGG<br />
best<strong>im</strong>mt, dass in der Bar des A nicht geraucht werden darf und daher<br />
auch das Wasserpfeifenrauchen verboten ist. § 3 LGG betrifft daher<br />
die Art und Weise, wie A seine Bar betreiben kann. Es liegt eine<br />
Berufsausübungsregel vor. Eine Berufsausübungsregel ist gerechtfertigt,<br />
wenn sie einem Gemeinwohlziel dient und verhältnismäßig ist. 44<br />
An diesem Punkt wird deutlich, dass die genaue Defi nition des Berufs<br />
<strong>im</strong> Rahmen des Schutzbereichs wichtig ist. Denn die Festlegung<br />
des Berufs hat Auswirkungen auf die Best<strong>im</strong>mung der Eingriff sart<br />
<strong>im</strong> Sinne der Drei-Stufen-Th eorie und damit auf die Rechtmäßigkeitsanforderungen<br />
an das jeweilige Gesetz. Defi niert man den Beruf<br />
des A als Shisha-Bar-Betreiber führt § 3 LGG dazu, dass A diesen<br />
Beruf nicht mehr ausüben kann. A könnte den Beruf des Shisha-Bar-<br />
Betreibers unabhängig von seinen berufl ichen Qualifi kationen nicht<br />
mehr wählen. § 3 LGG würde dann eine objektive Berufswahlbeschränkung<br />
darstellen. Defi niert man den Beruf des A dagegen wie<br />
hier als Gastwirt stellt § 3 LGG lediglich, wie soeben ausgeführt, eine<br />
Berufsausübungsregel dar.<br />
aa) Gemeinwohlziel<br />
§ 3 LGG müsste der Verwirklichung eines Gemeinwohlziels dienen.<br />
Das § 3 LGG dient dem Gesundheitsschutz und verfolgt daher ein<br />
Gemeinwohlziel.<br />
bb) Geeignetheit<br />
Das Rauchverbot in § 3 LGG müsste geeignet sein. Eine Berufsausübungsregel<br />
ist geeignet, wenn sie den gewünschten Erfolg fördert. 45<br />
Es kommt also darauf an, ob das Rauchverbot den Gesundheitsschutz<br />
fördert. Durch das Rauchverbot wird das Rauchen in Gaststätten<br />
untersagt. Daher werden weniger Personen den Gefahren des<br />
Passivrauchens ausgesetzt. 46 Das Rauchverbot in § 3 LGG ist daher<br />
geeignet.<br />
cc) Erforderlichkeit<br />
Fraglich ist, ob das Rauchverbot erforderlich ist. Im Rahmen der Erforderlichkeit<br />
ist zu prüfen, ob dem Gesetzgeber kein genauso wirksames,<br />
aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel, zur<br />
Verfügung steht. 47 Hier wäre maßgeblich, ob es ein milderes Mittel<br />
44 Siehe oben Ziff . B. III. <strong>2.</strong> a).<br />
45 BVerfGE 121, 317 (354) m.w.N.<br />
46 Vgl. auch BVerfGE 121, 317 (354).<br />
47 BVerfGE 121, 317 (354) m.w.N.<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 1 / <strong>2012</strong><br />
Ausbildung<br />
gibt, das genauso eff ektiv hinsichtlich des Gesundheitsschutzes ist<br />
wie das Rauchverbot. Fraglich ist, ob z.B. getrennte Raucher - und<br />
Nichtraucherbereiche ein milderes Mittel wären. Hiergegen spricht,<br />
dass bei abgetrennten Raucherbereichen weiterhin die Gesundheit<br />
der Mitarbeiter beeinträchtigt würde, die <strong>im</strong> Raucherbereich beschäft<br />
igt sind. Dasselbe gilt für die Gesundheit von Gaststättenbesuchern,<br />
die Nichtraucher sind und sich <strong>im</strong> Raucherbereich aufh alten.<br />
Getrennte Raucher- und Nichtraucherbereiche sind daher kein genauso<br />
eff ektives Mittel zum Gesundheitsschutz. Das gleiche gilt für<br />
eine den Gaststättenbetreibern einzuräumende Wahlmöglichkeit,<br />
entweder ein Raucher- oder ein Nichtraucherlokal zu führen. Eine<br />
solche Regelung wäre weniger eff ektiv, da zu erwarten ist, dass viele<br />
Gaststättenbesitzer weiterhin ein Raucherlokal betreiben würden.<br />
Das Rauchverbot ist erforderlich. 48<br />
dd) Angemessenheit<br />
Fraglich ist, ob das Rauchverbot angemessen ist. Bei der Angemessenheit<br />
ist zu prüfen, ob die Belastung des Einzelnen <strong>im</strong> vernünft igen<br />
Verhältnis zu dem durch das Gesetz der Allgemeinheit erwachsenden<br />
Vorteil steht. 49 Es kommt daher auf die Zweck-Mittel-Relation<br />
an. Hier liegt ein schwerer Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit<br />
des A vor. A verliert 95% seines Umsatzes und kann sein gastronomisches<br />
Konzept nicht mehr anbieten. Andererseits dient § 3 LGG<br />
einem überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (dem Gesundheitsschutz).<br />
Daher ist § 3 LGG grundsätzlich angemessen. Fraglich ist<br />
jedoch, ob nicht aufgrund von Art. 3 Abs.1 GG, Art. 12 Abs. 1 GG<br />
eine Sonderfall- bzw. Härtefallregelung notwendig ist. A wird <strong>im</strong><br />
Gegensatz zu einem „normalen“ Gastwirt (z.B.: einem Restaurantbesitzer)<br />
durch § 3 LGG besonders belastet. Ein Restaurantbesitzer<br />
kann trotz des Rauchverbots seine Hauptleistung (das Verkaufen<br />
von Speisen und Getränken) weiter anbieten. Einem Shisha-Bar-<br />
Betreiber ist dagegen seine Hauptleistung (das Anbieten von Wasserpfeifen)<br />
unmöglich geworden. Eine solche besondere Belastung<br />
wäre hinzunehmen, wenn sie durch hinreichende sachliche Gründe<br />
gerechtfertigt ist. 50 Man könnte argumentieren, dass diese besondere<br />
Belastung hinzunehmen ist, da sonst auf den Gesundheitsschutz<br />
einiger Gäste, d.h. der Nichtraucher, verzichtet würde. 51 Hiergegen<br />
könnte man aber einwenden, dass die Gäste einer Shisha-Bar gerade<br />
kommen, um zu rauchen und deshalb kein Schutzbedarf besteht. In<br />
einer Klausur wäre an diesem Punkt Ihre eigene Argumentation gefragt.<br />
Das BVerfG hat entschieden, dass es keiner Sonderregeln für<br />
Shisha-Bars bedarf. 52<br />
c) Ergebnis<br />
§ 3 LGG ist, sofern man das Rauchverbot als angemessen ansieht, mit<br />
Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.<br />
48 Siehe hierzu BVerfGE 121, 317 (354 f.).<br />
49 z.B.: BVerfGE 76, 1 (51).<br />
50 BVerfGE 121, 317 (358) m.w.N.<br />
51 BVerfGE 121, 317 (358 f.)<br />
52 BVerfG, Beschluss v. <strong>2.</strong><strong>8.</strong>2010, Az.: 1 BvQ 23/10.<br />
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