16 Titelthema bbb) Kausalität zwischen schädigendem Eingriff und Insolvenzeintritt oder -vertiefung Der Eingriff muss kausal für die Existenzvernichtung der Gesellschaft sein. 89 Dies setzt voraus, dass die Fähigkeit der GmbH zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten in einem ins Gewicht fallenden Ausmaß beeinträchtigt ist. 90 Dies ist regelmäßig bei Verursachung der Insolvenz der Fall. 91 War die Gesellschaft bereits vor dem Eingriff insolvent, genügt die Insolvenzvertiefung. 92 ccc) Sittenwidrigkeit und Vorsatz Ein sittenwidriges Verhalten ist in dem planmäßigen Entzug des Gesellschaft svermögens zu sehen, wenn dieser zu gesellschaft sfremden Zwecken und zum eigenen Vorteil der Gesellschaft er vorgenommen wird. 93 In der rücksichtslosen Missachtung der Zweckbindung des Gesellschaft svermögens liegt eine grob gegen die Verkehrserwartung verstoßende Handlungsweise. 94 § 826 BGB verlangt ein vorsätzliches Handeln. In Bezug auf die Sittenwidrigkeit ist es ausreichend, dass dem Gesellschaft er die Tatsache bewusst ist, dass durch die jeweiligen Maßnahmen das Gesellschaft svermögen geschädigt wird. 95 Ein Bewusstsein für die Sittenwidrigkeit ist nicht notwendig. 96 bb) Rechtsfolge Die Höhe des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach § 249 BGB. Der Schaden umfasst zunächst den Wert der unmittelbar entzogenen Vermögenspositionen sowie einen entgangenen Gewinn und die Kosten des vorläufi gen Insolvenzverfahrens. 97 Die Haft ung fl ankiert damit gewissermaßen die Vorschrift en der §§ 30, 31 GmbHG für Fälle, in denen diese Normen keinen ausreichenden Gläubigerschutz bieten. 98 Die Innenhaft ung ist auf den Schaden begrenzt, der der Gesellschaft durch den Eingriff zurechenbar entstanden ist. 99 Der Gesellschaft er haft et nicht persönlich gegenüber Dritten wie ein oHG-Gesellschaft er <strong>im</strong> Sinne einer Außenhaft ung 100 , sondern gegenüber seiner Gesellschaft 101 . Nachteilig an dem Binnenhaft ungskonzept ist jedoch, dass die geschädigten Gläubiger auf den umständlichen Weg verwiesen sind, den Anspruch der GmbH gegen den Gesellschaft er zu pfänden und an sich überweisen zu lassen. 102 In vielen Fällen, in denen mangels Masse kein Insolvenzverfahren eröff net wird, kann der Anspruch in der Konsequenz nicht von einem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. 103 Die Gesellschaft als Klägerin bzw. der Insolvenzverwalter trägt die Darlegungs- und Beweislast für alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale. 104 89 Liebscher, in: MünchKommGmbHG, 2010, § 13 Anh Rn. 557 m. w. N.. 90 Liebscher, in: MünchKommGmbHG, 2010, Anh § 13 Rn. 55<strong>7.</strong> 91 Liebscher, in: MünchKommGmbHG, 2010, Anh § 13 Rn. 55<strong>7.</strong> 92 Liebscher, in: MünchKommGmbHG, 2010, Anh § 13 Rn. 557 m. w. N.. 93 BGHZ 173, 246; BGHZ 176, 204. 94 Schanze, in: NZG 2007, 681 (683); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, 1<strong>9.</strong> Aufl . 2010, § 13 Rn. 67; T<strong>im</strong>m/Schöne, Fälle zum Handels- und Gesellschaft srecht, Band II, <strong>7.</strong> Aufl . 2010, S. 146. 95 BGHZ 173, 246. 96 BGHZ 173, 246; Wagner, in: MünchKommBGB, <strong>5.</strong> Aufl . 2009, § 826 Rn. 23f. 97 BGHZ 173, 246. 98 Vgl. Haas, in: ZIP 2009, 1257 (1257); Bitter, Gesellschaft srecht, 2011, § 4 Rn. 25<strong>7.</strong> 99 Bitter, Gesellschaft srecht, 2011, § 4 Rn. 25<strong>8.</strong> 100 Anders noch BGHZ 149, 10 und BGHZ 151, 18<strong>1.</strong> 101 BGHZ 173, 246; BGHZ 176, 204; BGHZ 179, 344. 102 Bitter, Gesellschaft srecht, 2011, § 4 Rn. 25<strong>7.</strong> 103 Vgl. Wagner, in: MünchKommBGB, <strong>5.</strong> Aufl . 2009, § 826 Rn. 120; ebenso Bitter, Gesellschaft srecht, 2011, § 4 Rn. 25<strong>8.</strong> 104 BGHZ 173, 246;Wicke, GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl . 2011, § 13 Rn. 1<strong>1.</strong> <strong>Iurratio</strong> Ausgabe 1 / <strong>2012</strong> III. PARALLELE ANSPRUCHSGRUNDLAGEN Neben der Haft ung wegen existenzvernichtenden Eingriff s können regelmäßig andere gesellschaft srechtliche Anspruchsgrundlagen einschlägig sein. Eine Haft ung des Gesellschaft ers nach §§ 30, 31 GmbHG ist wegen des in der Regel gleichzeitig verwirklichten Verstoßes gegen das Auszahlungsverbot zu bejahen. Ist der in das Gesellschaft svermögen eingreifende Gesellschaft er gleichzeitig Geschäft sführer, so haft et er gegenüber der Gesellschaft auch nach § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG. Handelt der Geschäft sführer auf Grund eines Gesellschaft erbeschlusses, so soll er sich nach h. M. analog § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG nicht darauf berufen können, wenn die Maßnahme, zu der angewiesen wird, einen existenzvernichtenden Eingriff darstellt. 105 Zu ersetzen ist der „Auszahlungsschaden“ 106 , welcher in dem Liquiditätsabfl uss oder <strong>im</strong> Abgang sonstiger Vermögenswerte liegt. 107 Ebenso kann der Gesellschaft er-Geschäft sführer nach § 64 GmbHG wegen Masseschmälerung haft en. Nach § 64 S. 1 GmbHG sind die Geschäft sführer zum Ersatz von Zahlungen verpfl ichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der GmbH oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, wenn das Verhalten nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäft smanns vereinbar ist (§ 64 S. 2 GmbHG). Seit der Änderung durch das MoMiG richtet sich der Wortlaut der Norm konkret gegen den Abzug von Vermögenswerten und deckt damit einen Teilbereich der Fälle des existenzvernichtenden Eingriff s ab. 108 Angesetzt wird nicht be<strong>im</strong> Gesellschaft er als Empfänger der existenzvernichtenden Leistung, sondern be<strong>im</strong> Geschäft sführer als deren Auslöser bzw. Gehilfen. 109 D. ZUSAMMENFASSUNG Die persönliche Haft ung eines GmbH-Gesellschaft ers für Verbindlichkeiten der Gesellschaft kann sich auf Grund einer eigenen Verpfl ichtung gegenüber Dritten ergeben. Eine echte Durchbrechung des Trennungsprinzips stellt die Haft ung wegen Vermögensvermischung und wegen existenzvernichtenden Eingriff s dar, welche als Binnenkonzept ausgestaltet ist. Die Existenzvernichtungshaft ung ist nach der aktuellen Rechtsprechung ein Fall des § 826 BGB. Die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung besteht in der Missachtung der Kapitalerhaltungsvorschrift en. Die Frage, ob die Gesellschaft er persönlich für Schulden einer materiell unterkapitalisierten GmbH haft en, ist umstritten und wird von der Rechtsprechung grundsätzlich verneint. 105 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 1<strong>9.</strong> Aufl . 2010, § 43 Rn. 54; Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl . 2010, § 43 Rn. 220d. 106 BGH, NZG 2008, 90<strong>8.</strong> 107 Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl . 2010, § 43 Rn. 21<strong>9.</strong> 108 Vgl. Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl . 2010, § 64 Rn. <strong>3.</strong> 109 Haas/Ziemons, in: Michalski, GmbHG, <strong>2.</strong> Aufl . 2010, § 64 Rn. <strong>3.</strong>
Dr. Regina Engelstädter, Partnerin M&A, Corporate Dr. Peter Wessels, Partner M&A, Restrukturierung, Corporate Baker & McKenzie - Partnerschaftsgesellschaft Melita Mesaric, Bethmannstraße 50-54, 60311 Frankfurt am Main, Telefon +49 (0) 69 2 99 08 555, E-Mail: melita.mesaric@bakermckenzie.com, www.bakermckenzie.com <strong>Iurratio</strong> Ausgabe 1 / <strong>2012</strong> Titelthema Die Baker & McKenzie - Partnerschaft von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Solicitors ist eine <strong>im</strong> Partnerschaftsregister des Amtsgerichts Frankfurt/Main unter PR-Nr. 1602 eingetragene Partnerschaftsgesellschaft nach deutschem Recht mit Sitz in Frankfurt/Main. Sie ist assoziiert mit Baker & McKenzie International, einem Verein nach Schweizer Recht. Dr. Florian Thamm, Partner M&A, Real Estate, Corporate Kollegen (m/w) gesucht. Zum weiteren Ausbau unserer Praxis <strong>im</strong> Bereich Corporate/M&A suchen wir Anwälte (m/w) für unsere Büros in Berlin, Frankfurt am Main und München. Berufsanfänger sind uns ebenso willkommen wie Kollegen mit Berufserfahrung. Unser Ziel ist es, Sie an die Partnerschaft in einer internationalen Großkanzlei heranzuführen. Wir setzen Maßstäbe bei der Förderung unserer Associates und helfen Ihnen, sich zu einer Anwaltspersönlichkeit zu entwickeln. Unter der Obhut eines Mentors binden wir Sie frühzeitig eng in die Mandatsarbeit ein. Veranstaltungen in unserer Inhouse University und den Praxisgruppen runden Ihre Fortbildung ab. Regelmäßige Treffen auf nationaler und internationaler Ebene bieten weitere Gelegenheit zum kollegialen Gedankenaustausch. Zusätzliche Informationen über unsere Nachwuchsarbeit finden Sie unter www.bakercareers.de. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung. 17