2012 1. 2. 3. 5. 7. 9. 8. Wissenswerte Änderungen im neuen ... - Iurratio
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56<br />
Interview<br />
„Die Konsolidierung der Haushalte schlägt schon<br />
auf die Realwirtschaft durch“<br />
Ein Interview mit Prof. Dr. Kai-Oliver Knops von Dr. Dirk Veldhoff (Referendar)<br />
: Die Europäische Schuldenkrise ist derzeit in aller Munde und<br />
bereitet nicht nur den verantwortlichen Politikern schlafl ose Nächte. Was<br />
sind die Ursachen?<br />
KNOPS: In Abgrenzung zu der globalen Finanzkrise, die seit 2008<br />
besteht, ist die sog. Schuldenkrise augenscheinlich eine Folge unsolider<br />
Staatsfi nanzen. Missstände aufgedeckt haben die Kapitalmärkte<br />
über den Renditedruck der Zinsmax<strong>im</strong>ierung ohne Zweifel. Doch<br />
hat der Einfl uss der Ratingagenturen auf das Zinsniveau, das insbesondere<br />
auch die Refi nanzierung von Staaten stark beeinfl usst, ein<br />
gefährliches Maß angenommen. Dass nun auch noch Deutschland<br />
und Frankreich, als ökonomische Schwergewichte und politische<br />
Lokomotiven einer Konsolidierung in Europa eine Abwertung um<br />
eine bzw. zwei Stufen angedroht wird, ist – freundlich ausgedrückt -<br />
unverantwortlich. Dabei hat sich bereits bei der Lehman-Pleite überdeutlich<br />
gezeigt, was teilweise von der Qualität der Ratings etwa von<br />
Standard & Poors zu halten ist. Gleichwohl ist deren St<strong>im</strong>me seitdem<br />
<strong>im</strong>mer noch mehr Gewicht beigemessen worden. Doch es zeigen<br />
sich erste Tendenzen, dass die Anleger die zum Teil kaum nachvollziehbaren<br />
Bewertungen zunehmend ignorieren. Trotz schlechtem<br />
Rating hatte Spanien zum Ende des vergangenen Jahres kaum Probleme,<br />
sich zu einem erträglichen Zins am Markt zu refi nanzieren.<br />
: Welche Konsequenzen erwarten Sie angesichts der<br />
europäischen Schuldenkrise für die Realwirtschaft und die europäischen<br />
Finanzmärkte?<br />
KNOPS: Die Konsolidierung der Haushalte und damit das Sinken<br />
der Staatsausgaben schlägt schon auf die Realwirtschaft durch. Best<strong>im</strong>mte<br />
Sektoren wie etwa die Baubranche sind und werden davon<br />
mittelfristig stark betroff en sein. Diese sind auf die Investitionen<br />
öff entlicher Haushalte angewiesen, weil der Anteil der Staatsgelder<br />
dort traditionell besonders hoch ist. Davon könnten konkret Bereiche<br />
betroff en sein, die jetzt noch durch Konjunkturpakete gefördert<br />
oder gar getragen werden. Beispielhaft genannt seien hier Infrastrukturausgaben<br />
(Ausbau und Sanierung von Bundesverkehrswegen,<br />
Lärmschutz, energetische Gebäudesanierung, moderne Breitbandnetze,<br />
Förderung regionaler Wirtschaft sstruktur, insbesondere<br />
Kai-Oliver Knops wurde am 3<strong>1.</strong> Mai 1966 in Viersen geboren und entstammt einer angesehenen<br />
Anwaltsfamilie. Nach dem Jurastudium in Köln, Trier und Heidelberg sowie dem Referendariat in<br />
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz war er zunächst als Rechtsanwalt in Köln und später<br />
in Hamburg als Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarkrecht tätig. In den Jahren 1999 und 2007<br />
wurde er jeweils an der Universität Bremen mit einer Dissertation über den Immobiliarkredit promoviert<br />
sowie mit einer Schrift über das Thema „Die Personalität des Vertrages“ habilitiert. Im<br />
Jahr 2008 wurde er auf den Lehrstuhl für Zivil- und Wirtschaftrecht, insbesondere Bank- und Kapitalmarkt-<br />
und Verbraucherrecht der Universität Hamburg berufen. Von 2007 bis 2010 war er als<br />
Forschungsdirektor am Institut für Finanzdienstleistungen e.V. in Hamburg und als Schriftleiter<br />
der Zeitschrift „Verbraucher und Recht“ tätig. Neben zahlreichen Veröff entlichungen ist Kai-Oliver<br />
Knops verantwortlich für das von ihm konzipierte und in Mitherausgeber- und Autorenschaft in<br />
zweiter Aufl age erschienene „Handbuch zum deutschen europäischen Bankrecht“.<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 1 / <strong>2012</strong><br />
schwacher Gebiete oder Krankenhäusersanierungen, Kl<strong>im</strong>aschutz-<br />
und Energieeffi zienzmaßnahmen), aber auch Forschungsprogramme,<br />
wobei hoff entlich bei der Förderung der Bildungsinfrastruktur,<br />
für den Ausbau oder die Sanierung von Kindergärten, Schulen oder<br />
Hochschulen die wenigsten Abstriche gemacht werden. Auch gehen<br />
vermutlich etwaige Kürzungen gerade zulasten derjenigen Personen<br />
und Institutionen, die auf staatliche Förderung angewiesen sind und<br />
die die Kaufk raft erheblich beeinfl ussen. Staaten sind eben keine auf<br />
Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen, sondern verfolgen<br />
mit ihren Haushalten gerade auch lang- und mittelfristige Ziele, die<br />
sich niemals „rechnen“ werden. Der Einfl uss der Märkte auf die Politik<br />
und Gesellschaft ist deutlich zu hoch.<br />
: Sollten die Ratingagenturen stärker reguliert werden<br />
oder würde dies - wie <strong>im</strong> alten Rom - bedeuten, statt des Verursachers<br />
der Krise den Boten schlechter Nachrichten zu bestrafen?<br />
KNOPS: Schon 2006 wurden <strong>im</strong> Rahmen des Aktionsplans der<br />
Europäischen Kommission für Finanzdienstleistungen (FSAP) drei<br />
Richtlinien verabschiedet, u.a. um Rating-Agenturen besser in den<br />
Griff zu bekommen. Doch haben die Marktmissbrauchsrichtlinie<br />
nebst Durchführungsverordnung, die Eigenkapitalrichtlinie und die<br />
Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente die bestehenden Defi -<br />
zite nicht beseitigen können, die schon damals vor allem in der fehlenden<br />
Ratingqualität, der zum Teil bestehenden Abhängigkeit und<br />
der Subjektivität der Agenturen, der Intransparenz der Bewertungsmethoden<br />
und in dem hohen Konzentrationsgrad der Branche und<br />
dessen potenziell wettbewerbsschädlichen Auswirkungen erkannt<br />
wurden. Vor allem fehlt <strong>im</strong>mer noch eine klare Regelung, dass Rating-Agenturen<br />
für ihre Urteile wie jeder andere Experte schadensrechtlich<br />
voll einzustehen haben. Erst dann wird die Qualität steigen<br />
und Schnellschüsse, die ganze Märkte verunsichern und <strong>im</strong>mense<br />
Kosten verursachen, zu einem echten Risiko für die Agenturen.<br />
: Insbesondere die Situation in Griechenland spitzt sich <strong>im</strong>mer<br />
mehr zu. Welche Folgen hätte eine Staatspleite für Europa und speziell für<br />
Deutschland?