2012 1. 2. 3. 5. 7. 9. 8. Wissenswerte Änderungen im neuen ... - Iurratio
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Dies mag auf den ersten Blick befremden; es war aber eine bewusste<br />
gesetzgeberische Entscheidung, die Rechtskraft so eng zu fassen 18<br />
und somit sich widersprechende Feststellungen insoweit in Kauf zu<br />
nehmen, als nur Entscheidungsgründe verschiedener Urteile betroffen<br />
sind. Für diese Entscheidung spricht, dass sie die Dispositionshoheit<br />
der Parteien stärkt: Sie können die Reichweite der verbindlichen<br />
Entscheidung des Gerichts genau begrenzen und müssen sie nicht<br />
dort fürchten, wo sie sie nicht herbeiführen wollen.<br />
E. AUFRECHNUNG MIT GESETZLICHER MINDERUNG UNTERLIE-<br />
GENDER GEGENFORDERUNG<br />
Nun zu einer typischen Zweitexamenskonstellation:<br />
Fall 4:<br />
K verklagt B vor dem Landgericht Münster auf Zahlung von 10.000<br />
€. Die Klageforderung ergebe sich, so K, aus einem Kaufvertrag. B<br />
bestreitet den Vertragsschluss und trägt dazu vor, man sei sich über<br />
den Preis noch nicht einig gewesen. Hilfsweise verteidigt er sich mit<br />
einer ihm angeblich zustehenden Gegenforderung auf Schadensersatz<br />
aus einem Straßenverkehrsunfall. Hierzu behauptet er unter anderem,<br />
er sei am <strong>1.</strong> Juni 2010 mit seinem Wagen auf der Münsteraner<br />
Universitätsstraße gefahren und dort mit dem Wagen des K zusammengestoßen.<br />
Den Wagen des K habe Ks Sohn S gefahren, und ein<br />
Fahrfehler des S habe zu dem Unfall geführt. K bestreitet den Unfall;<br />
er selbst sei am <strong>1.</strong> Juni den ganzen Tag über mit dem Auto in Köln<br />
gewesen. Aufgrund der Beweisaufnahme kommt das Gericht zu der<br />
Erkenntnis, dass die Klageforderung in voller Höhe besteht, dass der<br />
umstrittene Verkehrsunfall stattgefunden hat, und dass dem B daraus<br />
ein Schaden in Höhe von 2<strong>1.</strong>000 € (ohne Umsatzsteuer19 ) entstanden<br />
ist. Der behauptete Fahrfehler des S bestätigt sich. Allerdings stellt<br />
das Gericht fest, dass auch ein Fahrfehler des B – und zwar einer, der<br />
schwerer wog als der des S – für den Unfall ursächlich war. Nach der<br />
Auff assung des Gerichts steht dem B demzufolge in der Tat eine Gegenforderung<br />
in Gestalt eines Anspruchs auf Schadensersatz gemäß<br />
§ 7 Abs. 1 StVG gegen den K zu, aber wegen zu berücksichtigender<br />
Betriebsgefahr des Wagens des B (§ 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG) könne<br />
der B lediglich Ersatz eines Drittels seines Schadens, also 7000 € verlangen.<br />
Um die richtige Entscheidung fi nden zu können, muss das Gericht<br />
eine Reihe von Feststellungen treff en. Die Frage ist, wieweit diese in<br />
Rechtskraft erwachsen können. Besonders hinsichtlich der Gegenforderung<br />
des B, die einer gesetzlichen Minderung unterliegt – statt<br />
§ 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG kommt in anderen Fällen § 254 BGB in<br />
Betracht –, können leicht Fehler unterlaufen, die daher rühren, dass<br />
die gebotene Reihenfolge, in der materielle und prozessuale Erwägungen<br />
anzustellen sind, nicht eingehalten wird. Grob gesagt, könnte<br />
man entweder zuerst die gesetzliche Minderung berücksichtigen<br />
und dann die Reichweite der Rechtskraft best<strong>im</strong>men oder umgekehrt<br />
(Lösung unten unter G). Die Bedeutung des richtigen Vorgehens erschöpft<br />
sich nicht darin, dass die Reichweite der Rechtskraft sonst<br />
nicht richtig best<strong>im</strong>mt wird. Es ist auch Voraussetzung für eine zutreff<br />
ende Kostenentscheidung.<br />
18 Zur Geschichte Walsmann, in: Seuff ert, ZPO, 1<strong>2.</strong> Aufl ., 1932, § 322 unter 3 (Bd. 1 S. 533 f.); Leipold,<br />
in: Stein/Jonas, ZPO, 2<strong>2.</strong> Aufl ., 2008, § 322 Rn. 67 ff .<br />
19 Siehe § 249 Abs. 2 S. 2 BGB.<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 1 / <strong>2012</strong><br />
Ausbildung<br />
F. KOSTEN<br />
I. ALLGEMEINES<br />
Die Kosten eines Rechtsstreits, über die das Gericht von Amts wegen<br />
zu entscheiden hat (§ 308 Abs. 2 ZPO), sind grundsätzlich der unterlegenen<br />
Partei aufzuerlegen (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO). Wenn jede Partei<br />
teilweise obsiegt und teilweise unterliegt, sind die Kosten gegeneinander<br />
aufzuheben20 oder verhältnismäßig zu teilen (§ 92 Abs. 1 S.<br />
1 ZPO). Die Höhe der Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren richten<br />
sich nach dem Gebührenstreitwert (§§ 3, 34 GKG, 2, 13 RVG). Das<br />
Teilungsverhältnis richtet sich danach, welche Partei, gemessen am<br />
Streitwert, wie viel verloren hat. Bei einer Klage wegen einer Geldforderung<br />
entspricht die Höhe des Gebührenstreitwerts <strong>im</strong> allgemeinen<br />
der eingeklagten Summe (§§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO).<br />
II. DIE AUSWIRKUNG AUF DIE GERICHTSKOSTEN IM FALL DER<br />
HILFSAUFRECHNUNG MIT BESTRITTENER GEGENFORDERUNG<br />
Für best<strong>im</strong>mte Fälle der Rechtskraft erstreckung nach § 322 Abs. 2<br />
ZPO, nämlich für die Fälle der Hilfsaufrechnung mit bestrittener<br />
Gegenforderung, besteht eine besondere Regelung hinsichtlich des<br />
Gebührenstreitwerts und damit der Gerichtskosten. Es wird der Gebührenstreitwert<br />
um den Wert der Gegenforderung erhöht, soweit<br />
eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. Dies folgt<br />
aus § 45 Abs. 3 GKG, der in diesem Sonderfall an § 322 Abs. 2 ZPO<br />
anknüpft . Bei Hauptaufrechnungen und unbestrittenen Gegenforderungen<br />
wird der Gebührenstreitwert nicht erhöht. Im folgenden<br />
Beispiele für die Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG:<br />
Fall 5:<br />
K verklagt B auf Zahlung von 20.000 €. B bestreitet die Klageforderung<br />
und verteidigt sich hilfsweise damit, dass er mit einer gegen K<br />
gerichteten Forderung aufrechne. Die Höhe seiner Gegenforderung<br />
betrage, so B, 30.000 €. K bestreitet die geltend gemachte Gegenforderung.<br />
Unterfall a:<br />
Die Klageforderung besteht nicht (sei es, dass die Klage unschlüssig<br />
ist; sei es, dass B mit seiner Hauptverteidigung Erfolg hat). Die Klage<br />
wird abgewiesen; die Kosten des Rechtsstreits trägt der K (§ 91<br />
Abs. 1 ZPO). Zu einer Entscheidung über die Hilfsaufrechnung<br />
kommt es nicht. Der Gebührenstreitwert wird nicht erhöht und beträgt<br />
gemäß §§ 48 Abs. 1 S, 1 GKG, 3 ZPO 20.000 €. B kann in einem<br />
späteren Rechtsstreit den K auf der Grundlage der behaupteten<br />
Gegenforderung – dann als Haupt-(Klage-)Forderung – auf Zahlung<br />
von 30.000 € verklagen, ohne dass dem Rechtskraft entgegensteht.<br />
Unterfall b:<br />
Die Klageforderung besteht, die Gegenforderung nicht. B wird Ks<br />
Antrag gemäß verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der B<br />
(§ 91 Abs. 1 ZPO). Über die Gegenforderung ist in voller Höhe entschieden<br />
worden. Wenn das Gericht „nur die ersten 20.000 € der<br />
Gegenforderung angeschaut hätte“, hätte es nicht entscheiden dürfen,<br />
dass die Aufrechnung insgesamt erfolglos sei, denn diese Aussage<br />
spricht dem B (be<strong>im</strong> Fehlen anderer Aufrechnungshindernisse)<br />
20 Dies bedeutet, dass jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen (namentlich Anwalts-)Kosten sowie<br />
die Hälft e der Gerichtskosten (§ 92 Abs. 1 S. 2 ZPO) trägt. Kostenaufh ebung kommt in Betracht, wenn<br />
jede Partei in etwa zu gleichen Teilen obsiegt hat und unterlegen ist. Sie ist dann einer hälft igen Teilung<br />
aller Kosten vorzuziehen, weil bei einer Kostenaufh ebung derjenigen Partei, die den Prozess sparsamer<br />
geführt hat (bei der weniger außergerichtliche Kosten angefallen sind), ein entsprechender wirtschaft licher<br />
Vorteil verbleibt (siehe Wolst, in: Musielak, ZPO, <strong>8.</strong> Aufl ., 2011, § 92 Rn. 5).<br />
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