Erläuternder Bericht: Bundesgesetz über die Freizügigkeit ... - EJPD
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Ermächtigen gewisse Kantone Anwältinnen und Anwälte, <strong>die</strong> beispielsweise von<br />
Banken, Treuhandgesellschaften oder Rechtsschutzversicherungen angestellt sind,<br />
zur Vertretung von Parteien vor Gerichtsbehörden, sind <strong>die</strong>se Anwältinnen und<br />
Anwälte dem vorliegenden Gesetz unterstellt und müssen sich in ein kantonales<br />
Register eintragen lassen 55 . In <strong>die</strong>sem Fall unterstehen sie den Berufsregeln und der<br />
Kontrolle durch <strong>die</strong> kantonalen Aufsichtsbehörden.<br />
Das Gesetz kann auch für Personen gelten, <strong>die</strong> kein schweizerisches Bürgerrecht<br />
besitzen, da ein kantonales Anwaltspatent auch Ausländerinnen und Ausländern<br />
erteilt werden kann. Vor einigen Jahren hielt das Bundesgericht kantonale Gesetzgebungen,<br />
<strong>die</strong> das Recht zur Ausübung des Anwaltsberufs nur Schweizer Bürgerinnen<br />
und Bürger vorbehielten, noch für verfassungsmässig. Im Jahre 1993 fand<br />
jedoch eine Umkehr der Rechtsprechung statt 56 . Nach der neuen Auffassung des<br />
Bundesgerichts liegt es zwar im öffentlichen Interesse, dass Anwältinnen und<br />
Anwälte mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen des Landes vertraut<br />
sind. Es geht aber davon aus, Ausländerinnen und Ausländer müssten zum<br />
Nachweis zugelassen werden, dass sie <strong>die</strong> Schweiz wie Schweizer Bürgerinnen und<br />
Bürger kennen und ihnen <strong>die</strong> politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse des<br />
Landes ebenso vertraut sind. Das Festhalten am Erfordernis des Schweizerbürgerrechts<br />
sei mit der in Artikel 31 BV garantierten Handels- und Gewerbefreiheit nicht<br />
vereinbar. Im Rahmen <strong>die</strong>ser Rechtsprechung bleiben <strong>die</strong> Kantone frei, <strong>die</strong> übrigen<br />
Voraussetzungen zu bestimmen, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Erteilung des Anwaltspatents erfüllt sein<br />
müssen.<br />
Anwältinnen und Anwälte, <strong>die</strong> ihr Anwaltspatent im Ausland erworben haben und <strong>die</strong><br />
in einem Kanton von der zuständigen Behörde zur Vertretung von Parteien vor<br />
Gerichtsbehörden zugelassen worden sind, können sich nicht in ein kantonales<br />
Register eintragen lassen - auch wenn sie das Schweizer Bürgerrecht besitzen (Art.<br />
6 BGFA). Bereits heute können sich Personen, <strong>die</strong> ihr Anwaltspatent von einer ausländischen<br />
Behörde erhalten haben, nicht auf Artikel 5 UeB BV berufen 57 . Sie unterstehen<br />
jedoch den Vorschriften des Anwaltsgesetzes <strong>über</strong> <strong>die</strong> Berufsregeln, <strong>die</strong> Disziplinaraufsicht<br />
und <strong>die</strong> Honorare, da sie in einem Schweizer Kanton Parteien vor<br />
Gerichtsbehörden vertreten. Dasselbe gilt für Anwältinnen und Anwälte, <strong>die</strong> ihr<br />
Patent in einem Kanton erhalten haben, der nach der Anpassungsfrist in Artikel 23<br />
weiterhin Anwaltspatente erteilt, <strong>die</strong> den Anforderungen in Artikel 6 Absatz 1 BGFA<br />
nicht genügen.<br />
232 <strong>Freizügigkeit</strong> und kantonales Anwaltsregister<br />
232.1 Grundsatz der <strong>Freizügigkeit</strong> (Art. 3)<br />
55 Vgl. beispielsweise im Kanton Zürich: Die Zürcher Aufsichtsbehörde verlangt, dass angestellte<br />
Anwältinnen und Anwälte einem Arbeitsvertrag unterstellt sind, der eine Reihe von Anforderungen<br />
zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit enthält (<strong>die</strong> Standesregeln der Anwaltskammer müssen<br />
respektiert werden; <strong>die</strong> Treuepflicht gegen<strong>über</strong> der Klientschaft hat Vorrang vor der Treuepflicht<br />
gegen<strong>über</strong> dem Arbeitgeber; der Arbeitgeber hat kein Recht, Abrechnungen von den Angestellten<br />
zu verlangen oder ihre Unterlagen zu prüfen usw.); vgl. auch Dreyer, S. 417.<br />
56<br />
BGE 119 Ia 35 und Urteil des Bundesgerichts vom 27. April 1993 in der Rechtssache Tim<br />
Brockmann gegen den Staatsrat des Kantons Genf.<br />
57<br />
Vgl. Bois, Kommentar zur Bundesverfassung, Art. 5 UeB, Rz. 5.