Erläuternder Bericht: Bundesgesetz über die Freizügigkeit ... - EJPD
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233.3 Kantonale Aufsichtsbehörde (Art. 12)<br />
Die Beachtung der Berufsregeln muss durch Disziplinarbehörden sichergestellt werden.<br />
Die Kantone kennen derzeit verschiedene Systeme: Entweder haben sie <strong>die</strong>se<br />
Aufgabe der Exekutive (Regierungsrat oder Justizdepartement) oder den Gerichtsbehörden<br />
(Kantonsgericht) oder auch Kommissionen, <strong>die</strong> aus Richterinnen und<br />
Richtern sowie Anwältinnen und Anwälten zusammengesetzt sind (Anwaltskammern,<br />
<strong>die</strong> in der Regel dem Kantonsgericht angehängt sind), <strong>über</strong>tragen. Einige Kantone<br />
haben <strong>die</strong> Disziplinaraufsicht Berufsorganisationen (Anwaltsverbände) <strong>über</strong>tragen.<br />
Das Anwaltsgesetz schreibt nur vor, dass <strong>die</strong> Kantone eine Aufsichtsbehörde schaffen.<br />
Die Zusammensetzung und <strong>die</strong> Organisation <strong>die</strong>ser Behörde wird den Kantonen<br />
<strong>über</strong>lassen. Diese können <strong>die</strong> Zuständigkeit zur Ausübung der Disziplinaraufsicht<br />
auch einem Anwaltsverband <strong>über</strong>tragen. Da für Disziplinarmassnahmen, <strong>die</strong> wegen<br />
einer Verletzung der eidgenössischen Berufsregeln ausgesprochen worden sind, <strong>die</strong><br />
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht möglich ist, müssen <strong>die</strong> Kantone<br />
allerdings eine richterliche Rekursbehörde im Sinne von Artikel 98a des <strong>Bundesgesetz</strong>es<br />
<strong>über</strong> <strong>die</strong> Organisation der Bundesrechtspflege (OG) 94 vorsehen, wenn <strong>die</strong><br />
Aufsichtsbehörde keine gerichtliche Instanz ist. Die Frage, ob eine Disziplinarmassnahme<br />
"strafrechtlicher Natur" im Sinne von Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />
(EMRK) 95 ist, kann somit offen bleiben. Die Europäische Kommission<br />
für Menschenrechte hat jedoch entschieden, dass nach den Grundsätzen, <strong>die</strong><br />
der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil Engel 96 entwickelt hatte,<br />
ein Disziplinarverfahren, das gegen<strong>über</strong> einer Anwältin oder einem Anwalt eröffnet<br />
wird und das zu einer Verwarnung führt, keine strafrechtliche Sanktion im Sinne von<br />
Artikel 6 EMRK darstellt 97 .<br />
Jede Aufsichtsbehörde ist nach Artikel 12 Absatz 1 BGFA verpflichtet, dafür zu sorgen,<br />
dass <strong>die</strong> Berufsregeln beachtet werden. Für Vorfälle, <strong>die</strong> sich in ihrem Kantonsgebiet<br />
ereignet haben, hat sie gegebenenfalls ein Disziplinarverfahren einzuleiten.<br />
Die Kantone teilen dem Bundesamt für Justiz <strong>die</strong> zuständigen Aufsichtsbehörden mit.<br />
Diese Mitteilung hat innerhalb der Frist von drei Jahren, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Anpassung des<br />
kantonalen Rechts vorgesehen ist, zu erfolgen (Art. 23 BGFA). Da kein eidgenössisches<br />
Anwaltsregister vorgesehen ist, soll zur Erleichterung der Informationsbeschaffung<br />
<strong>die</strong> Liste der Aufsichtsbehörden nach Ablauf der Frist nach Artikel 23<br />
BGFA im Anhang des Anwaltsgesetzes veröffentlicht werden. Dieser Anhang hat<br />
keinen normativen Charakter, sondern <strong>die</strong>nt nur zur Information; er wird, ohne vorher<br />
dem Bundesparlament unterbreitet worden zu sein, veröffentlicht. Selbstverständlich<br />
wird der Anhang angepasst werden, wenn ein Kanton nachträglich <strong>die</strong> Zuständigkeit<br />
für <strong>die</strong> Aufsicht ändert.<br />
233.4 Meldepflicht (Art. 13)<br />
94 SR 173.110.<br />
95 SR 0.101.<br />
96<br />
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Engel vom 8.6.1976, Serie A Nr. 22, S.<br />
34.<br />
97<br />
Requête no 8249/79, X c/Belgique, déc. 5.5.80, D. R. 20, S. 40.