Tagungsband - Stadtentwässerung Kaiserslautern
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Dezentrale Reinigungskonzepte<br />
Abgrenzung von naturnahen und technischen Reinigungsverfahren<br />
für den Einsatz im ländlichen Raum<br />
Prof. dr.-ing. ulf theilen, Gießen-Friedberg,<br />
Ländlicher Raum, Abgrenzung zum „städtischen<br />
Raum“?<br />
wenn über kommunale abwasserreinigungsverfahren<br />
gesprochen, diskutiert und geschrieben wird, sind in<br />
der Regel größere einheiten (kläranlagen, klärwerke)<br />
gemeint, die als zentrale anlagen zur Behandlung des<br />
abwassers für einige 10.000 bis 100.000 einwohner<br />
inkl. des mit dem kommunalen abwasser abgeleiteten<br />
gewerblichen und industriellen abwassers dienen. der<br />
Grund hierfür liegt der aufmerksamkeit, die größere anlagen<br />
in der Öffentlichkeit aber auch der Fachwelt und<br />
der wissenschaft erregen. auch die finanziellen möglichkeiten<br />
für größere kommunen zur Öffentlichkeitsarbeit<br />
und unterstützung der wissenschaft sind naturgemäß<br />
deutlich größer als bei kleinen kommunen mit geringer<br />
einwohnerzahl aber großer Fläche.<br />
dabei steht der ländliche Raum in Hessen für rund drei<br />
millionen einwohner, also rund 50 % der Gesamt-Bevölkerung.<br />
er umfasst mit ca. 17.000 km² rund 80 % der<br />
Landesfläche. „die typischen ländlichen Räume Hessens,<br />
wie die Rhön, der Vogelsberg oder der odenwald, sind<br />
wichtige naherholungsregionen für die Ballungszentren.<br />
… in der globalisierten, vernetzten welt wächst das Bedürfnis<br />
der Bürger nach intakter umwelt, nach Heimat<br />
und identität, also Faktoren, die der ländliche Raum in<br />
hohem maße bietet.“ (Homepage des Hessischen ministeriums<br />
für umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz,<br />
Juli 2006)<br />
im Sinne des dwa-arbeitsblattes a 200 „Grundsätze<br />
für die abwasserentsorgung“ kann der „ländliche Raum“<br />
wie folgt definiert werden:<br />
- kleine, manchmal auch weit auseinander liegende<br />
ortschaften und ortsteile.<br />
- Große Grundstücksflächen aufgrund lockerer, offener<br />
Bebauung, einzelgehöfte, weiler, Streusiedlungen.<br />
- Geringe Siedlungsdichte, bis etwa 25 e/ha Siedlungsfläche.<br />
- Geringer anteil befestigter Flächen, bis etwa 20 %<br />
der Siedlungsfläche einschließlich der Straßen und<br />
wege.<br />
- Primär landwirtschaftliche Struktur und in der Regel<br />
wenig industrie und Gewerbe.<br />
- oftmals kleine und leistungsschwache, vielfach<br />
durch diffuse einträge vorbelastete oberirdische<br />
Gewässer.<br />
- Häufig Freizeiteinrichtungen mit saisonal stark<br />
schwankendem abwasseranfall.<br />
die finanzielle Leistungsfähigkeit der kommunen im<br />
ländlichen ist in der Regel aufgrund folgender aspekte<br />
sehr beschränkt:<br />
• erwerbsstruktur des ländlichen Raums (relativ<br />
geringe monatseinkommen der Bürger, wenige oder<br />
keine größeren Gewerbe- oder industriebetriebe),<br />
• erhebliche finanzielle Belastungen der kommunen<br />
aufgrund großer entfernungen, die für den Bau und<br />
Betrieb der infrastruktur (Straßen, wasserversorgung,<br />
abwasserentsorgung) zu leisten sind.<br />
notwendige investitionen in die abwasserentsorgung<br />
stellen die kommunen deshalb häufig vor nur schwer lösbare<br />
aufgaben. So gibt es im ländlichen Raum Beispiele<br />
von kommunen, die bei ca. 3.250 einwohnern aufgrund<br />
der topographischen Verhältnisse insgesamt 8 kläranlagen<br />
mit den entsprechenden entwässerungsnetzen bauen<br />
und betreiben müssen, was zu spezifisch sehr hohen<br />
finanziellen Belastungen für die Bürger führt.<br />
die dwa hat dem „Ländlichen Raum“ vor ca. 3,5<br />
Jahren eine besondere Bedeutung gegeben, indem sie<br />
die Projektgruppe „abwasserentsorgung im ländlichen<br />
Raum“ gegründet hat. diese Projektgruppe hat sich zum<br />
Ziel gesetzt, einen Leitfaden für die entscheidungsträger,<br />
die mitarbeiter der Verwaltung und für interessierte Bürger<br />
in den kommunen des ländlichen Raumes anzubieten,<br />
der in Form einer checkliste über die notwendigen<br />
Schritte zur Planung und Realisierung einer abwassertechnischen<br />
maßnahmen informiert. Ganz bewusst hat<br />
die Projektgruppe davon abgesehen, bestehende Regelwerke<br />
wie z.B. das atV-dVwk-arbeitsblatt a 200<br />
erneut wiederzugeben, zu kommentieren oder in Frage<br />
zu stellen. das von der Projektgruppe zu erarbeitende<br />
Papier soll eine Richtschnur bieten, anhand derer die<br />
entscheidungsträger und mitarbeiter alle notwendigen<br />
Schritte praxisorientiert abarbeiten können.<br />
Vor allem die entscheidungsfindung, ob eine eher dezentrale<br />
Lösung oder eine eher zentrale Lösung für die<br />
abwasserentsorgung gewählt werden sollte, soll durch<br />
das zu erarbeitende Papier unterstützt werden. detaillierte<br />
erläuterungen zu einzelnen Verfahren werden bewusst<br />
nicht aufgenommen.<br />
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