Tagungsband - Stadtentwässerung Kaiserslautern
Tagungsband - Stadtentwässerung Kaiserslautern
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Grundstücksentwässerung<br />
Grundstücksentwässerung und dezentrale Reingungskonzepte<br />
Prof. dr.-ing. theo G. Schmitt, kaiserslautern<br />
Schon die titel der ersten beiden tagungsblöcke weisen<br />
auf eine neue akzentuierung und Schwerpunktbildung<br />
und letztlich auf eine sich vollziehende neuorientierung<br />
in der abwasserentsorgung hin. in den zurückliegenden<br />
Jahrzehnten standen die zentralen einrichtungen der abwassersammlung<br />
und der abwasserbehandlung, also<br />
das kanalnetz mit seinen Sonderbauwerken und die<br />
kläranlage, im Fokus von Fachveranstaltungen, Forschungsarbeiten<br />
und finanziellen aufwendungen. diese<br />
konzentration galt dem baulichen Zustand der öffentlichen<br />
kanäle und ihrem hydraulischen Leistungsvermögen,<br />
der resultierenden Gewässerbelastung insbesondere<br />
durch mischwasserüberläufe und dem ausbau der<br />
kommunalen kläranlagen zur umsetzung der nährstoffelimination.<br />
ein anstoß für eine Verlagerung dieser thematischen<br />
Schwerpunkte bildete sicher die seit den 90er Jahren sich<br />
vollziehende neuorientierung im umgang mit Regenwasser.<br />
Hier erlangen mit dem konzept der Regenwasserbewirtschaftung<br />
anstelle ausschließlicher ableitung<br />
gerade dezentrale maßnahmen besondere Bedeutung.<br />
die möglichst ortsnahe umsetzung von maßnahmen zur<br />
Verwertung und Versickerung von Regenwasser, zum<br />
Rückhalt mit verzögerter, vorzugsweise offener ableitung<br />
über möglichst kurze Fließwege soll den erhalt<br />
oder die wiederherstellung eines wasserhaushalts wie<br />
im unbebauten Zustand unterstützen. damit werden die<br />
Strukturen und Systeme der Siedlungsentwässerung sicher<br />
nicht einfacher und möglicherweise auch nicht kostengünstiger.<br />
aber sie verlagern sichtbar ein Stück weit<br />
die Verantwortung für die entsorgungssicherheit auf die<br />
einzelnen Grundstückseigentümer und anschlussnehmer.<br />
die Besorgnis um die überbeanspruchung des lokalen<br />
– in Ballungsräumen auch des regionalen – wasserhaushalts<br />
durch die wasserversorgung und abwasserentsorgung<br />
von Siedlungen hat auch die entwicklung dezentraler<br />
(„alternativer“) Sanitärkonzepte angestoßen oder<br />
gefördert. man könnte auch sagen: die Rückbesinnung<br />
auf dezentrale Sanitärkonzepte, die es ja in anderer<br />
technischer umsetzung, vor den errungenschaften<br />
zentraler Ver- und entsorgungssysteme schon einmal<br />
gab. durch umsetzung innovativer technologien zur<br />
abwasserreinigung in Verbindung mit der auftrennung<br />
in unterschiedliche abwasserströme kann in internen<br />
kreisläufen Brauchwasser bereitgestellt werden und so<br />
die wasserentnahme zur trinkwasserversorgung reduziert<br />
werden. dies erscheint zumindest in Regionen mit<br />
akuter oder zukünftig drohender wasserknappheit eine<br />
unabdingbare entwicklung.<br />
neben dem wasserhaushalt ist die kostenentwicklung<br />
der zentralen („konventioneller“) Systeme ein weiteres<br />
wichtiges argument für die Renaissance dezentraler<br />
anlagen, insbesondere in der ausrichtung auf die Verbesserung<br />
der Sanitärausstattung finanzschwacher Bevölkerungen,<br />
insbesondere in den entwicklungsländern.<br />
in ähnlicher weise findet eine neubewertung bezüglich<br />
der notwendigkeit langer Verbindungssammler für den<br />
anschluss kleinerer Gemeinden oder Streusiedlungen an<br />
Gruppenkläranlagen statt.<br />
ein weiteres argument für die zuletzt stärkere Fokussierung<br />
der Fachwelt auf dezentrale Strukturen und<br />
einheiten der Ver- und entsorgung entstammt dem<br />
umweltschutz und der wahrnehmung ihres „Beitrages“<br />
zu umweltbelastungen. die Besorgnis um großflächige,<br />
wenn auch im einzelnen Beitrag geringe Schadstoffeinträge<br />
in Boden und Grundwasser durch undichte<br />
Leitungen der Grundstücksentwässerung und Hausanschlüsse<br />
ergibt sich aus der bloßen Zahl, wonach private<br />
abwasserleitungen etwa die doppelte Länge der öffentlichen<br />
kanalisation (ca. 490.000 km) umfassen.<br />
auch die anstrengungen um bessere Reinigungsleistung<br />
von kleinkläranlagen (oder allgemein „kleiner kläranlagen“)<br />
lassen sich schon rein zahlenmäßig begründen.<br />
nach aktuellen Statistiken sind z.B. in deutschland<br />
ca. 95 % der Bevölkerung an zentrale abwasseranlagen<br />
mit mechanisch-biologischer abwasserbehandlung angeschlossen.<br />
das heißt bei 80 mio. einwohnern: 4 mio.<br />
sind es nicht! Sie werden über kleinkläranlagen mehr<br />
oder weniger umweltgerecht erfasst! die daraus resultierende<br />
Gewässerbelastung fällt in der Betrachtung in<br />
Flussgebietseinheiten sicherlich nicht ins Gewicht. Lokal<br />
jedoch kann durch unzureichende Reinigungsleistung<br />
dezentraler anlagen, zumal an oftmals sehr leistungsschwachen<br />
Gewässern, eine erhebliche Beeinträchtigung<br />
der Gewässerbelastung resultieren.<br />
die skizzierte Verlagerung der akzente und Schwerpunkte<br />
verläuft naturgemäß nicht konfliktfrei und wird<br />
in der Fachwelt äußerst kontrovers diskutiert. Gerade<br />
bei der Propagierung dezentraler Strukturen müssen die<br />
errungenschaften zentraler Ver- und entsorgungseinrichtungen<br />
und ihr Beitrag zur Siedlungshygiene, zum<br />
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