GF_Basel_03-2015
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10 AKTUELL<br />
«Schluss mit dem Lamentieren!»<br />
Landläufig gelten Baslerinnen und Basler als humorvoll, liberal, geistreich, weltoffen, tolerant und<br />
können gut Fussball und Tennis spielen. Dies stimmt natürlich alles, aber die Baslerinnen und Basler<br />
haben oft auch eine ungebrochene Neigung zum Lamentieren.<br />
Interview mit Thomas Kessler<br />
von Niggi Freundlieb<br />
Thomas Kessler: (lacht) Angesichts der Tatsache, dass über ein Drittel<br />
der in <strong>Basel</strong> Wohnenden Ausländer sind und über 160 Nationen hier am<br />
Rheinknie vertreten sind, kann ich beim besten Willen kein solches,<br />
typisch baslerisches Gen feststellen.<br />
Beobachten Sie denn tatsächlich bei der Bevölkerung Unzufriedenheit,<br />
welche sich unter anderem in besagtem Lamentieren widerspiegelt?<br />
Im Gegenteil. Bevölkerungsbefragungen ergeben sehr hohe Zufriedenheitswerte.<br />
Über 97 Prozent der Baslerinnen und Basler – und insbesondere<br />
auch die Zugezogenen – leben gerne hier. Hoch eingestuft werden<br />
Lebensstandard und Lebensqualität, was übrigens auch das internationale<br />
Vergleichsportal Opencities, das <strong>Basel</strong> diesbezüglich auf den ersten<br />
Platz setzt, so sieht. Im nationalen, aber auch im internationalen Vergleich<br />
nimmt <strong>Basel</strong> in zahlreichen Bereichen eine Spitzenstellung ein. <strong>Basel</strong> geht<br />
es finanziell vergleichsweise gut, hat eine florierende Wirtschaft und<br />
Unternehmen von Weltgeltung oder bietet Spitzenkultur und -bildung.<br />
Wieso wird dann trotzdem gejammert?<br />
THOMAS KESSLER<br />
leitet seit 2009 die Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung.<br />
Vorher war er Drogen delegierter (1991–1998) und Leiter der<br />
Integrationsstelle (1999–2008). Er ist zudem Mitglied der<br />
eidg. Kommis sion für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ).<br />
In den Leserbriefspalten und an den Stammtischen, auf dem politischen<br />
Parkett, aber auch im nachbarschaftlichen Umgang: Wenn<br />
man in <strong>Basel</strong> den Menschen zuhört, dann bekommt man oft den<br />
Eindruck, das in dieser Stadt so ziemlich alles schief läuft, sich<br />
Gräben unverrückbarer politischer, wirtschaftlicher, kultureller oder<br />
sozialer Divergenzen auftun, dass «die, da oben» sowieso tun, was sie<br />
wollen und die Bevölkerung piesacken, dass der Abstieg in die Provinz<br />
schon längst vollzogen sei oder dass – wenn nicht bald was geschieht –<br />
alles den Bach runter geht.<br />
Gejammert wird ja nicht nur in <strong>Basel</strong>, jammern ist menschlich. Aber<br />
vielleicht geht es uns einfach zu gut und wir vergessen angesichts der<br />
Herausforderungen des Hier und Jetzt einfach, welches Potenzial diese<br />
Stadt und die ganze Region haben.<br />
Was schlagen Sie vor?<br />
Wir sollten uns die Vergangenheit in Erinnerung rufen, wir haben als visionäre<br />
Geister das Geistesleben der Stadt mit liberalem Gedankengut<br />
geprägt, mit visionären Ideen in die Zukunft geschaut und damit das moderne,<br />
weltoffene <strong>Basel</strong>, wovon wir heute noch profitieren, geschaffen. Das<br />
<strong>Basel</strong> der Zukunft braucht eine Vorwärtsstrategie, innovative Lösungen,<br />
vielleicht sogar Querdenkende sowie die Freude am Leben und am Neuen.<br />
Vor allem brauchen wir aber nicht Menschen, die jammern und über<br />
einander, sondern die miteinander reden. Denn nur der freie Austausch<br />
von Meinungen und Ideen sowie die Vernetzung der diesbezüglichen<br />
Ressourcen – also der Institutionen, Unternehmen und der Bevölkerung –<br />
schaffen die Voraussetzungen dafür, dass es uns weiterhin gut geht.<br />
Für Thomas Kessler, Leiter der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung<br />
im Präsidialdepartement, ist dies zwar kein Grund, ebenfalls zu<br />
lamentieren, sich aber im Gespräch mit dem «Geschäftsführer» zumindest<br />
Gedanken darüber zu machen.<br />
«Geschäftsführer»: Es gehört mit zu den Aufgaben der Abteilung<br />
Kantons- und Stadtentwicklung, das Verhalten der Menschen, ihre<br />
Bedürfnisse, ihre Ansichten, und was ihnen wichtig ist, zu kennen –<br />
können Sie denn als nicht in <strong>Basel</strong> Gebürtiger bei uns ein typisch<br />
baslerisches Nörgel-Gen erkennen?<br />
WEITERE INFORMATIONEN<br />
Präsidialdepartement | Kantons- und Stadtentwicklung<br />
Marktplatz 30a<br />
CH-4001 <strong>Basel</strong><br />
Telefon +41 (0)61 267 88 97<br />
Telefax +41 (0)61 267 88 66<br />
www.entwicklung.bs.ch<br />
GESCHÄFTSFÜHRER <strong>03</strong> : : <strong>2015</strong>