Gemeinschafts- diagnose
20151008_gd_herbst_gutachten
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Weltwirtschaft<br />
der Investitionen an der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage<br />
(2014: 46 Prozent) langfristig nicht aufrecht erhalten<br />
werden kann, darauf deuten die sinkende Profitabilität<br />
von Investitionsprojekten 6 in China und im<br />
Fall der Wohnungsbauinvestitionen der in letzter Zeit<br />
stark gestiegene Häuserleerstand hin. Allerdings ist die<br />
Umlenkung der Nachfrage hin zum Konsum mit Friktionen<br />
verbunden und kommt nur langsam voran. Ihr<br />
steht nicht zuletzt das politische Ziel einer gleichmäßig<br />
hohen Auslastung der Produktionskapazitäten entgegen,<br />
denn dieses Ziel hat die Regierung in den vergangenen<br />
Jahren wiederholt vor allem durch eine Förderung<br />
der Investitionstätigkeit verfolgt.<br />
Schon in der ersten Hälfte des Jahres 2015 stützte die<br />
Zentralregierung die Konjunktur durch eine Vielzahl<br />
von Maßnahmen. Zur Stabilisierung der Immobilienmärkte<br />
wurden die Finanzierungsbedingungen verbessert<br />
und in einigen Regionen wurden die Bedingungen<br />
für den Erwerb von Zweitwohnungen gelockert. Dies<br />
trug dazu bei, dass die Immobilienpreise seit einigen<br />
Monaten wieder etwas steigen. Ferner hat die Zentralbank<br />
im August den Renminbi um 4 ½ Prozent gegenüber<br />
dem US-Dollar abwerten lassen, um den Ausfuhren<br />
Rückenwind zu verleihen. Zudem hatte sie bereits<br />
im Frühjahr, angesichts der sich im ersten Quartal abschwächenden<br />
Konjunktur und der anhaltend niedrigen<br />
Kerninflation, die Leitzinsen und die Mindestreserveanforderungen<br />
schrittweise herabgesetzt. Allerdings<br />
löste eine Einschränkung von kreditfinanzierten<br />
Aktienkäufen im Juni Einbrüche auf den Aktienmärkten<br />
aus. Die Indizes an den chinesischen Börsen sind<br />
seit dem Sommer um mehr als ein Drittel gesunken,<br />
nachdem sie sich in den zwölf Monaten zuvor mehr als<br />
verdoppelt hatten. In Reaktion auf die Baisse bemühte<br />
sich die chinesische Regierung mit einer Reihe von<br />
Maßnahmen darum, die Kurse zu stabilisieren. So wurden<br />
chinesische Pensionsfonds von beauftragt, in Aktien<br />
zu investieren, die von Privatanlegern als zu riskant<br />
eingeschätzt wurden. Seit Ende August haben sich die<br />
Aktienmärkte wieder stabilisiert.<br />
Die Wirtschaftspolitik wird auch weiterhin bestrebt sein,<br />
eine konjunkturelle Abschwächung zu verhindern. Im<br />
Rahmen dessen wird sie weiterhin versuchen, den wirtschaftlichen<br />
Strukturwandel zu lenken, indem sie die<br />
Kreditbereitstellung in manchen Bereichen gezielt einschränkt<br />
und gleichzeitig die derzeit hohen Finanzierungskosten<br />
für kleinere private Unternehmen senkt.<br />
Auch sind weitere geldpolitische Lockerungen zu erwarten,<br />
wenn sich die Lage auf den Finanzmärkten wieder<br />
verschlechtern sollte. Außerdem ist davon auszugehen,<br />
dass die Finanzpolitik mit weiteren Infrastrukturmaßnahmen<br />
zusätzliche Impulse schaffen wird, sollte sich<br />
die Entwicklung bei den Wohnungsbau- und Ausrüstungsinvestitionen<br />
erneut abschwächen. Bereits jetzt<br />
sind zusätzliche Investitionen in das Schienennetz und<br />
Umweltschutzprojekte vorgesehen. Zudem sind jüngst<br />
auf lokaler Ebene öffentliche Mittel in erheblicher Höhe<br />
ungenutzt geblieben. Diese Mittel werden voraussichtlich<br />
in den kommenden Monaten von der Zentralregierung<br />
zur Stimulierung der Konjunktur verwendet.<br />
Vor diesem Hintergrund ist ein deutlicher Einbruch der<br />
chinesischen Konjunktur im Prognosezeitraum nicht<br />
wahrscheinlich. Dafür spricht auch, dass der Dienstleistungssektor<br />
wohl weiter an Bedeutung gewinnt; seine<br />
Wertschöpfung übertraf 2014 erstmals die in der<br />
Industrie. Hierzu trägt auch die fortgesetzte Urbanisierung<br />
bei, die eine kontinuierliche Ausweitung der<br />
Dienstleistungsbranchen und damit die Schaffung neuer<br />
Arbeitsplätze mit sich bringen dürfte. All dies verhindert<br />
allerdings nicht, dass sich das wirtschaftliche<br />
Expansionstempo weiter verlangsamen wird, weil es<br />
immer schwieriger wird, in ausreichender Zahl rentable<br />
Investitionsprojekte zu finden, aber auch, weil das<br />
Arbeitskräftepotenzial kaum noch wächst und sich der<br />
Produktivitätsfortschritt verlangsamt. Das reale Bruttoinlandsprodukt<br />
dürfte in diesem Jahr voraussichtlich<br />
um 6,6 Prozent und im kommenden Jahr um 6,3 Prozent<br />
zulegen, nach 7,3 Prozent im Jahr 2014.<br />
Moderate Expansion in Japan<br />
In Japan ist die gesamtwirtschaftliche Produktion im<br />
zweiten Quartal deutlich zurückgegangen, nachdem<br />
sie im ersten kräftig ausgeweitet wurde. Der Rückgang<br />
ist vor allem auf einen Einbruch der Exporte zurückzuführen.<br />
Sowohl die Lieferungen nach China als auch<br />
nach Europa und in die USA waren rückläufig. Zusätzlich<br />
entwickelte sich die Binnennachfrage schwach. Der<br />
private Konsum wurde sogar eingeschränkt, obwohl die<br />
Einkommen der Haushalte inzwischen etwas deutlicher<br />
steigen. 7 Diese Schwäche wurde von den übrigen Komponenten<br />
der Binnennachfrage lediglich kompensiert.<br />
Die Teuerungsrate ist aufgrund des Auslaufens des Basiseffektes<br />
der Mehrwertsteuererhöhung vom April des<br />
vergangenen Jahres deutlich zurückgegangen, auf lediglich<br />
0,2 Prozent im August. Dazu tragen die gesunkenen<br />
Ölpreise bei; die Kernrate betrug im August<br />
0,8 Prozent. Für den Prognosezeitraum ist zu erwarten,<br />
dass der schwache Außenwert des Yen den Preis-<br />
6 Vgl. IMF (2015), Country Report No. 15/234, People’s Republic of China,<br />
S. 32.<br />
7 Anscheinend haben die im zweiten Quartal ungünstigen Wetterverhältnisse<br />
die private Konsumnachfrage belastet. Vgl. Bank von Japan (2015), Monthly<br />
Report of Recent Economic and Financial Developments, August, S. 8<br />
20 GD Herbst 2015