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Gemeinschafts- diagnose

20151008_gd_herbst_gutachten

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Deutschland<br />

Kasten 3.4<br />

Zu den finanziellen Auswirkungen der Flüchtlingsmigration auf die Staatsfinanzen<br />

Die hohe Zuwanderung von Flüchtlingen nach Deutschland hat<br />

Auswirkungen auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen,<br />

die sich nur schwer quantifizieren lassen. In diesem Kasten<br />

wird geschildert, auf welchen Annahmen über die finanziellen Effekte<br />

der Flüchtlingsmigration die vorliegende Prognose beruht.<br />

Ankommende Flüchtlinge lassen sich in Erstaufnahmeeinrichtungen<br />

registrieren und können dort maximal drei, nach den<br />

voraussichtlich ab November geltenden Regelungen maximal<br />

sechs Monate bleiben. Die derzeitigen Verzögerungen bei der<br />

Aufnahme der Verfahren dürften die Aufenthaltsdauer in den<br />

Einrichtungen verlängern. Solange die Asylsuchenden in den<br />

Einrichtungen verbleiben, entstehen bei ihrer Unterbringung<br />

vor allem Sachaufwendungen; zudem fallen Betreuungs- und<br />

Gesundheitskosten an.<br />

Verlassen die Asylbewerber die Erstaufnahmeeinrichtungen,<br />

besteht die Möglichkeit, in eine eigene Wohnung oder in eine<br />

<strong>Gemeinschafts</strong>unterkunft zu ziehen. Die Asylbewerber erhalten<br />

dann weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.<br />

Das Gesetz sieht vor, dass ein Teil dieser Leistungen<br />

in Sachzuwendungen oder Wertgutscheinen bestehen kann.<br />

Einige Bundesländer sind in der Vergangenheit allerdings dazu<br />

übergegangen, den gesamten Betrag als Geldleistung zu gewähren.<br />

In dieser Prognose ist unterstellt, dass dies so bleibt. 1<br />

1 Insbesondere ist unterstellt, dass die Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen<br />

vor allem soziale Sachleistungen erhalten. Sobald sie<br />

diese verlassen haben, werden die Länder nach Annahme der Institute der<br />

bisherigen Praxis entsprechend weiterhin größtenteils monetäre Transfers<br />

zahlen. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, weiterhin einen Teil der<br />

Hilfen in Form von Sachleistungen zu gewähren. Die Höhe der staatlichen<br />

Ausgaben wird nicht davon berührt, welche Verfahrensweise gewählt wird.<br />

Auch die Höhe des Konsums insgesamt dürfte davon unberührt bleiben,<br />

denn es ist kaum davon auszugehen, dass die Flüchtlinge Ersparnisse<br />

bilden werden. Allerdings wäre die Aufteilung des Konsums insgesamt auf<br />

die Sektoren Staat und private Haushalte eine andere.<br />

Zudem besteht ein Anspruch auf weitere Leistungen, z. B. auf<br />

die Erstattung der Kosten für Miete und Nebenkosten.<br />

Nach Abschluss des Asylverfahrens haben anerkannte<br />

Flüchtlinge unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und<br />

mithin Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Es besteht weiterhin<br />

ein Anspruch auf Hilfen in besonderen Lebenslagen und für<br />

Wohnkosten, wenn die persönlichen Voraussetzungen dafür<br />

gegeben sind. Abgelehnte, aber geduldete Asylbewerber<br />

haben weiterhin einen Anspruch auf Leistungen nach dem<br />

Asylbewerberleistungsgesetz.<br />

Neben den unter diesen Voraussetzungen abgeleiteten<br />

Transferleistungen sind auch noch zusätzliche Ausgaben für<br />

staatliche Sachkäufe, Investitionen und Arbeitnehmerentgelte<br />

zu berücksichtigen. Insgesamt könnten sich die Mehraufwendungen<br />

für Unterbringung, Versorgung und Integration<br />

von Flüchtlingen in diesem Jahr auf eine Größenordnung von<br />

4 Milliarden Euro und im kommenden Jahr von 11 Milliarden<br />

Euro belaufen, jeweils verglichen mit den Aufwendungen im<br />

Jahr 2014. Diesen Ausgaben stehen aber auch Einnahmen<br />

gegenüber, weil mit der Flüchtlingsmigration der Konsum<br />

zunimmt und damit die Einnahmen aus Umsatzsteuer und<br />

anderen Verbrauchsteuern steigen. Zudem nimmt in dem<br />

Maße, in dem es gelingt, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt<br />

zu integrieren, ihre Abhängigkeit von Transferleistungen ab<br />

und sie tragen zur Wertschöpfung in Deutschland bei, so<br />

dass Einnahmen aus Einkommensteuer und Sozialbeiträgen<br />

anfallen. Aufgrund der bei der Integration der Flüchtlinge<br />

in den Arbeitsmarkt zu erwartenden Anpassungsprozesse<br />

dürften diese Einnahmen jedoch erst nach und nach realisiert<br />

werden, während die Ausgaben unmittelbar anfallen. Für<br />

einen Übergangszeitraum resultiert daher eine Belastung der<br />

öffentlichen Haushalte. In der vorliegenden Prognose wird<br />

unterstellt, dass diese Mehrausgaben zulasten des Finanzierungssaldos<br />

gehen.<br />

Zur günstigen Finanzlage tragen die kräftig sprudelnden<br />

Steuereinnahmen bei. Sie dürften in den Jahren<br />

2015 und 2016 um 4,2 bzw. 3,2 Prozent zunehmen.<br />

In diesem Jahr expandieren insbesondere die Lohnsteuereinnahmen<br />

kräftig, da die Beschäftigung weiter<br />

steigt und die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer<br />

merklich zulegen; leicht aufkommensmindernd<br />

schlägt hingegen die Anhebung des Grund- und des<br />

Kinderfreibetrags sowie des Kindesgeldes zu Buche. Im<br />

kommenden Jahr wird die Lohnsteuer schwächer zulegen,<br />

da die Bruttolöhne und -gehälter langsamer steigen<br />

und etwas höhere Steuersenkungen in Kraft treten. So<br />

wird neben einer weiteren Anhebung des Grund- und<br />

des Kinderfreibetrags sowie des Kindergeldes zu Beginn<br />

des kommenden Jahres der Einkommensteuertarif nach<br />

rechts verschoben, um die in den Jahren 2014 und 2015<br />

entstandene kalte Progression abzubauen (Tabelle 3.7).<br />

Die Einnahmen aus den Gewinnsteuern werden dank<br />

des merklichen Anstiegs der Unternehmens- und Vermögenseinkommen<br />

ebenfalls spürbar zunehmen, wobei<br />

sich die Dynamik bei den Unternehmenssteuern<br />

im Jahr 2016 verlangsamt. Die Einkommen- und Ver-<br />

GD Herbst 2015<br />

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