Gemeinschafts- diagnose
20151008_gd_herbst_gutachten
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Wirtschaftspolitik<br />
Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene jährliche Inflationsrate<br />
im September bei −0,1 Prozent und damit<br />
deutlich unterhalb des von der EZB angestrebten mittelfristigen<br />
Inflationsziels von unter, aber nahe 2 Prozent.<br />
Eine der Ursachen für die niedrigen Inflationsraten<br />
der letzten Monate war der stark gesunkene Rohölpreis.<br />
Auf den daraus resultierenden Rückgang der<br />
Inflationsrate sollte eine Notenbank allerdings nicht<br />
reagieren, solange er als temporär eingestuft werden<br />
kann und durch ihn keine Zweitrundeneffekte bei der<br />
Lohn- und Preissetzung ausgelöst werden. Handeln<br />
sollte eine Zentralbank vielmehr, wenn niedrige Inflationsraten<br />
Folge einer schwachen konjunkturellen<br />
Entwicklung und unterausgelasteter Kapazitäten sind.<br />
Seit nunmehr sechs Jahren ist die Produktionslücke<br />
im Euroraum negativ; nach Schätzungen internationaler<br />
Organisationen (IWF, OECD, EU-Kommission)<br />
liegt sie derzeit immer noch bei etwa −3 Prozent. Dies<br />
trug maßgeblich dazu bei, dass die Kerninflationsrate<br />
(gemessen am HVPI ohne Energie und unverarbeitete<br />
Nahrungsmittel) bis Anfang dieses Jahres auf 0,6 Prozent<br />
und damit ihren niedrigsten Wert seit Einführung<br />
der gemeinsamen Währung gesunken ist. Im Zuge der<br />
allmählichen konjunkturellen Erholung ist die Kernrate<br />
seither kontinuierlich auf zuletzt 0,9 Prozent gestiegen.<br />
Diese Entwicklung dürfte sich im Prognosezeitraum<br />
bei sich langsam schließender Produktionslücke<br />
fortsetzen.<br />
Bei den Inflationserwartungen zeigt sich ein uneinheitliches<br />
Bild. Die aus Befragungen abgeleiteten Erwartungen<br />
des Survey of Professional Forecasters deuten auf<br />
einen Anstieg der kurz- und mittelfristigen Inflationserwartungen<br />
im letzten halben Jahr hin (Abbildung 5.3).<br />
Auch die aus Swaps abgeleiteten Inflationserwartungen<br />
erhöhten sich zunächst, nachdem die EZB im Januar<br />
das Anleihekaufprogramm ankündigte. Seit Juli<br />
waren diese Finanzmarktindikatoren allerdings wieder<br />
deutlich rückläufig und sanken bis Ende September<br />
auf ihr Niveau von Ende Januar. Dass die kurzfristigen<br />
Inflationserwartungen vor dem Hintergrund des<br />
erneuten Ölpreisrückgangs nachgaben, ist dabei wenig<br />
überraschend. Erklärungsbedürftig ist vielmehr die<br />
sehr enge Korrelation der fünfjährigen Inflationserwartungen<br />
mit der Veränderung des Ölpreises. Zunächst<br />
erscheint es eher unwahrscheinlich, dass heutige Ölpreisänderungen<br />
Auswirkungen auf die Inflationsrate<br />
in fünf Jahren haben. Während entsprechende Effekte<br />
bis zum Ausbruch der Weltfinanzkrise nicht beobachtet<br />
werden konnten, sind sie seither im Euroraum und<br />
anderen Ländern positiv und signifikant. Für die geldpolitischen<br />
Entscheidungsträger ist dieser Befund besonders<br />
heikel, da er als Hinweis auf einen möglichen<br />
Glaubwürdigkeitsverlust im Hinblick auf die Erreichung<br />
des mittelfristigen Inflationsziels interpretiert werden<br />
kann. Ursächlich hierfür könnte die Einschätzung der<br />
Abbildung 5.3<br />
Inflationserwartungen im Euroraum<br />
Swap-basierte Inflationserwartungen, in Prozent 1<br />
Umfrage-basiert<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
Swap-basiert 1<br />
3,0<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
-0,5<br />
-1,0<br />
in fünf Jahren<br />
Q1 2010<br />
Q3 2010<br />
Q1 2011<br />
Q3 2011<br />
Q1 2012<br />
Q3 2012<br />
Q1 2013<br />
Q3 2013<br />
Q1 2014<br />
Q3 2014<br />
Q1 2015<br />
Q3 2015<br />
in fünf Jahren 2<br />
in zwei Jahren<br />
1.7.2010<br />
1.1.2011<br />
1.7.2011<br />
1.1.2012<br />
1.7.2012<br />
1.1.2013<br />
1.7.2013<br />
1.1.2014<br />
1 Gleitender Einmonatsdurchschnitt der Wochenwerte.<br />
2 Durchschnittliche Jahresinflation.<br />
Quellen: Thomson Reuters; Berechnungen der Institute.<br />
Finanzmärkte sein, dass Notenbanken in Zeiten ausgeschöpfter<br />
konventioneller Zinsinstrumente und niedriger<br />
Inflationsraten nicht mehr in der Lage sind, die<br />
Ökonomie derart zu stimulieren, dass die Inflationsrate<br />
wieder steigt. 38<br />
38 Vgl. Sussman, N., O. Zohar (2015), Oil prices, inflation expectations, and<br />
monetary policy, Bank of Israel Discussion Paper 092015.<br />
in einem Jahr<br />
in einem Jahr<br />
in zwei Jahren<br />
1.7.2014<br />
1.1.2015<br />
1.7.2015<br />
© GD Herbst 2015<br />
GD Herbst 2015<br />
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