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Kunstbulletin Mai 2023

Unsere Mai Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Katharina Grosse, Kunst und Klima, Alexandra Bachzetsis, Johanna Bruckner, uvm.

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nes grossflächigeren Malprozesses. Neben der Sprühpistole greift die Künstlerin auch<br />

immer wieder zu Pinsel oder Malspachtel. Besonders die früheren Arbeiten zeichnen<br />

sich durch breite, zügige und gleichzeitig präzise Pinselspuren aus. Die übereinandergelegten<br />

Flächen verweben sich optisch ineinander und erzeugen auf diese Weise den<br />

eigentlichen Farbton. So erscheint etwa das Zitronengelb über dem Dunkelblau auf<br />

einer Arbeit von 1993 als schimmerndes Grün.<br />

Auf der Leinwand, in den Bildern<br />

In ‹Wiederholungen, Revisionen, Neufindungen› wird das stete Wiederaufgreifen<br />

und gleichzeitige Revidieren wie Erneuern der Malverfahren nachvollziehbar. In ‹Brüche<br />

und Risse› zeigt sich deutlich, wie die Künstlerin mit den Konventionen der Malerei<br />

bricht. Sie verwendet Schablonen oder Erde, um beim Malen bestimmte Partien<br />

ab- und wieder aufzudecken. Schichtweise aufgetragene Farbflecken und -flächen,<br />

schlingernde Linien und geschwungene Bänder, satte Sprayfarbe und Sprühnebel<br />

oder triefende Farbspuren erzeugen ungeahnte Bildwelten. Einige Werke wie jene<br />

von 2013 in der Ausstellung erinnern an Collagen oder Décollagen – an die «Dessous<br />

d’affiches», die Plakatabrisse der Nouveaux Réalistes Ende der 1950er-Jahre. In jüngerer<br />

Zeit appliziert Grosse gar narrativ behaftete Elemente wie Holzlatten oder Geäst<br />

auf ihre Bilder: Das Natürliche mutiert zum Künstlichen und weiter zur objekthaften<br />

Kunst. Oder sie zerschneidet die Leinwände, nicht aber um wie Lucio Fontanas<br />

geschlitzte Bilder auf eine Tiefenwirkung im Dunkel dahinter hinzudeuten, sondern<br />

um den Blick auf die weisse Wand freizulegen, mit der die Gemälde eine Verbindung<br />

eingehen oder sich objekthaft davon absetzen.<br />

Als Betrachtende sind wir bei den Werken von Katharina Grosse ständig «im<br />

Bild». Wir bewegen uns der Malerin gleich in einem performativen Akt, schauen<br />

uns in den Bildern um, geraten ins Staunen angesichts der stupenden Farbigkeit.<br />

Wobei es keinen eindeutigen Vorder- und Hintergrund gibt, sondern die Farbwirkung<br />

hauptsächlich aus hellen über dunkeln Partien sowie aus der Transparenz der<br />

Schichten erzeugt wird. Insofern eröffnen ihre Bilder Vorstellungswelten, die auch<br />

Paradoxes verhandeln. Grosse umschreibt ihre Werke selbst als Modelle: «Meine<br />

Bilder», sagt sie, «erproben die Eigenschaften der Realität und verdichten sie dramatisch.<br />

Ich schaffe Prototypen der Imagination, die die Betrachter:innen für sich<br />

nutzen und in andere Bereiche übertragen können.» So gesehen ist ihrer Kunst ein<br />

gesellschaftlicher und politischer Impetus inhärent: Es scheinen in ihr uneindeutige<br />

Zonen des Konflikts und Widerspruchs auf, die zur ergebnisoffenen Begegnung und<br />

Auseinandersetzung auffordern.<br />

Die Zitate von Katharina Grosse stammen aus dem Dossier für Medienschaffende zur Ausstellung im Kunstmuseum<br />

Bern vom 21.2.<strong>2023</strong>.<br />

Marc Munter ist Kunsthistoriker, lebt und arbeitet in Bern. m_munter@hotmail.com<br />

→ ‹Katharina Grosse – Studio Paintings 1988–2022›, Kunstmuseum Bern, bis 25.6.<br />

↗ kunstmuseumbern.ch<br />

FOKUS // KATHARINA GROSSE<br />

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