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Kunstbulletin Mai 2023

Unsere Mai Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Katharina Grosse, Kunst und Klima, Alexandra Bachzetsis, Johanna Bruckner, uvm.

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körperliche Transformationen durch Chemie und Technik finden statt. Wir werden zu<br />

«modern humans», zu nicht mehr nur rein menschlichen Wesen – man denke etwa<br />

auch an die Forschung zu synthetischen Organen in der Transplantationsmedizin.<br />

Eine Kultur der Fürsorge schaffen<br />

Auch werden in unserer Gesellschaft kollaborierende Roboterassistenzen in medizinischen<br />

und anderen Bereichen zukünftig wohl vermehrt zum Einsatz kommen.<br />

Wer bringt ihnen bei, mit Menschen zu interagieren und empathisch zu sein? Wie<br />

wird das gemacht? Und welche Perspektiven werden ihnen antrainiert? Diese Fragen<br />

sowie solche zu Fürsorge, Intimität und Sex thematisiert Johanna Bruckner in der<br />

mehrteiligen Videoinstallation ‹Metabolic Hardware›, <strong>2023</strong>, die installativ in einem<br />

abgedunkelten Raum gezeigt wird. Auf sieben, an den Wänden der «Black Box» angebrachten<br />

Screens sind digitale Animationen, reale Tanzperformances, das Setting<br />

eines fiktionalen chirurgischen Eingriffs, Found Footage feministischer Pornografie,<br />

Naturaufnahmen realer Landschaften sowie Szenen von Umweltzerstörung zu sehen.<br />

Synchron dazu umhüllt Sound, bestehend aus Musik, Gesang und Sprache, den<br />

Raum. Die visuellen und auditiven Ebenen überlagern sich, scheinen zu interagieren<br />

und sich gegenseitig zu beeinflussen. Bevor diese Reizüberflutung in Überforderung<br />

mündet, zieht einen die Immersion wie ein Sog in die fiktive Parallelwelt hinein, die<br />

sich in der Black Box auftut.<br />

Hauptfigur dieser künstlerischen Zukunftsfiktion ist ein Sex-Bot, durch den Beziehungsmöglichkeiten<br />

jenseits heteronormativer Vorstellungen ausgelotet werden<br />

und der Menschen zum Beispiel in Situationen sexuellen Unbehagens beistehen soll.<br />

Um dies tun zu können, wurde der Sex-Bot als biologisches Interface durch KI und<br />

eine Sexarbeiterin auf den Aspekt trainiert, Unwohlsein wahrzunehmen und auch andere<br />

Gefühle nachempfinden zu können. Während mehrere Screens der Installation<br />

die Trainingsdaten und den Lernprozess des Bots veranschaulichen, lässt Bruckner<br />

ihn auch selbst und über sich sprechen. Er bekommt eine Stimme und erlangt ein<br />

Handlungsvermögen. Er entwickelt eigene Gedanken und reflektiert auch die Bedingungen,<br />

unter denen er trainiert und von der technischen Maschine zum fühlenden<br />

Care-Bot wird. Die Arbeit kann somit sinnbildlich für den Ansatz stehen, den Bruckner<br />

mit ihrem Schaffen verfolgt: Es geht ihr darum, eine Kultur der Fürsorge und des<br />

Vertrauens zu fördern, um ein Weltbild zu schaffen, in dem Körper, Technologien und<br />

Umwelt im Einklang sind.<br />

Die Zitate stammen aus einem Gespräch mit der Künstlerin am 26.3.<strong>2023</strong> in Zürich.<br />

Seraina Peer ist Kunsthistorikerin und Doktorandin an der Universität Bern, lebt in Chur und Bern.<br />

seraina.peer@bluewin.ch<br />

→ ‹Pe Lang, Johanna Bruckner, Jennifer Merlyn Scherler: Schweizer Medienkunst – Pax Art Awards 2022›,<br />

Haus der Elektronischen Künste HEK, Basel, bis 21.5.<br />

↗ hek.ch<br />

FOKUS // JOHANNA BRUCKNER<br />

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