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Kunstbulletin Mai 2023

Unsere Mai Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Katharina Grosse, Kunst und Klima, Alexandra Bachzetsis, Johanna Bruckner, uvm.

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Andreas Dobler<br />

Zürich — «She was a Phantom of delight»,<br />

schreibt William Wordsworth 1803 in einer<br />

Ballade über die erste Begegnung mit seiner<br />

späteren Frau. Als Glanzlicht sei diese in<br />

seinem Blickfeld erschienen, um ihm fortan<br />

nicht mehr aus dem Kopf zu gehen. Auch die<br />

Ausstellung ‹Phantom of Delight› von Andreas<br />

Dobler (*1963) kreist um reizvolle Anblicke, die<br />

im Kopf des Künstlers vergnügt herumgeistern<br />

und sich nun bei Kupper Modern in reicher Fülle<br />

in Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen<br />

erspähen lassen.<br />

Dobler richtet sein Augenmerk auf Formen, Objekte<br />

und Strukturen, die im Bildfluss und Materialrausch<br />

unseres Alltags häufig übersehen<br />

werden. Schimmernde Glasscherben, verkritzelte<br />

Tischplatten und beschriftete Buchseiten<br />

sind als Objets trouvés in seine Werke<br />

eingearbeitet; seine Motive zitieren Werbezeitschriften,<br />

Verbrauchsgüter oder Firmensignets.<br />

In Doblers Werken begegnet man diesen Sujets<br />

jenseits ihres lebensweltlichen Kontexts: Sie<br />

werden von geometrischen Formen umgarnt<br />

oder in fantastische Landschaften platziert.<br />

Sahnehäubchen ordnen sich auf einer oktogonalen,<br />

in Batik gefärbten Leinwand zu einem<br />

yantraähnlichen Muster, tönerne Tobleronestücke<br />

türmen sich vor einem atmosphärischen<br />

Farbverlauf zu einem kleinen Ehrenmal, und<br />

Bierkronen wirbeln über abstrakten Strukturen<br />

durch hell erleuchtete Wolken. In ihrer Teilhabe<br />

an transzendentalen Bildtraditionen mögen<br />

die trivialen Fragmente wie Seitenhiebe an das<br />

trügerische Glücksversprechen unserer Konsumgesellschaft<br />

anmuten. Sie entpuppen sich<br />

aber als Stücke eines wahrhaft paradiesischen<br />

Gebildes: Die sinnig und humorvoll kuratierte<br />

Schau nährt das Auge bis zur vollkommenen<br />

Zufriedenheit.<br />

Neben aktuellen Arbeiten beherbergen die<br />

Räume von Alain Kupper auch Wiederentdeckungen<br />

aus dem Lager des Künstlers. Diese<br />

frühen, teils nicht fertiggestellten Werke sind<br />

bislang ungesehene Kostbarkeiten seines<br />

Schaffens seit 1999. Wer dieses dichte doblersche<br />

Universum nach einem Rundgang durch<br />

die Ausstellung noch nicht verlassen will, kann<br />

bei den zahlreichen Tuschzeichnungen im<br />

Galeriebüro verweilen – oder eine Werkliste mit<br />

auf den Weg nehmen: Die entzückenden Titel<br />

des sprachaffinen Künstlers lassen dessen<br />

Bilder vor dem inneren Auge weitertanzen. Und<br />

Wordsworth schliesst die erste Strophe seiner<br />

Ballade mit dem Vers «A dancing shape, an<br />

image gay, to haunt, to startle, and waylay». JS<br />

Andreas Dobler · Bricks & Pies, <strong>2023</strong>,<br />

Batik, Gouache und Acryl auf Baumwolle,<br />

248 x 248 cm © ProLitteris. Foto: Alain Kupper<br />

Andreas Dobler · Swirl, 2016, Acryl auf<br />

Baumwolle, 175 x 230 cm © ProLitteris.<br />

Foto: Alain Kupper<br />

→ Kupper Modern, bis 17.6.<br />

↗ kupper-modern.com<br />

78 <strong>Kunstbulletin</strong> 5/<strong>2023</strong>

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