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Kunstbulletin Mai 2023

Unsere Mai Ausgabe für 2023 mit Beiträgen zu Katharina Grosse, Kunst und Klima, Alexandra Bachzetsis, Johanna Bruckner, uvm.

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Roman Gysin / Mitchell Anderson — Berührung und Distanz<br />

Zwei junge Künstler zeigen unter den Sheddächern der Kunsthalle<br />

8000 unterschiedliche Herangehensweisen an die Widersprüche<br />

unserer Zeit. Einmal ist es eine handwerkliche Haptik,<br />

die sich die Entfremdung der Welt zum Thema nimmt, ein andermal<br />

sind es dystopische Dioramen.<br />

Wädenswil — Roman Gysins Installation ‹Woody Shopper› spielt mit Lesarten, Materialien,<br />

dem Raum und sogar mit den Worten. Die Holzarbeiten erscheinen mal roh,<br />

mal manieriert, abwechslungsweise das eine oder andere und sogar gleichzeitig beides:<br />

Der spielerische Grenzgang führt vorbei an geschliffenen, mit Leinwand überzogenen<br />

Holzreliefs, lose ausgelegten, schimmernden Seidenbändern oder rohen Holzrinden<br />

und -spänen. In präzisem Gegenüber sind die hölzernen Arbeiten in den luftig<br />

hohen Ausstellungsräumen der Kunsthalle 8000 schwebend vor die Wand montiert<br />

oder am Boden ausgestreut. Der virtuos-museal inszenierte Kunstraum ist seit 2020<br />

in einer ehemaligen Metallwerkstatt am Rand des Industriegebiets von Wädenswil<br />

untergebracht. Eine Ausstellung pro Jahr widmet die Stiftung Talos, die den Kunstraum<br />

betreibt, der Gewinnerin oder dem Gewinner eines ihrer drei Preise. Dieses Jahr<br />

hat der Förderpreisträger Roman Gysin (*1984) die Ehre.<br />

In der Metallwerkstatt liess übrigens einst nicht nur Stiftungsmitgründer Lori<br />

Hersberger, sondern auch Sylvie Fleury Metallobjekte galvanisieren. Bei Fleury war<br />

es ein vergoldeter Einkaufswagen. Ihr Werk kommt unmittelbar ins Spiel, wenn es<br />

um ‹Woody Shopper› geht: Die spielerische Annäherung an die Welt des Konsums, die<br />

immer auch ein ironisch-distanziertes Kommentieren ist, gehört zu Fleurys genauso<br />

wie zu Gysins Arbeiten dazu. Bei aller Spielerei mit Schein und Sein gibt es aber auch<br />

Unterschiede. Bei Gysin bleibt das Bearbeiten des Materials, anders als bei Fleury,<br />

als Handwerk und unmittelbare Berührung immer präsent.<br />

Komplementär zur formal sinnlich geprägten Sprache des Handwerklichen setzt<br />

die zweite Ausstellung im kleineren Raum historisch aufgeladene Fundstücke ein<br />

und regt zum Nachdenken an. Der in den USA geborene Schweizer Künstler Mitchell<br />

Anderson (*1985) nennt die Schau trügerisch ‹Landschaftsgemälde›: An den Wänden<br />

hängen Hunderte Kopien von FBI-Aufzeichnungen, die Bewegungen während der berühmt<br />

gewordenen Tragödie des Columbine High School Shooting zeigen. Am Boden<br />

liegen Styropormodelle noch berühmterer Schlachtfelder, wie sie eine texanische<br />

Firma kriegsbegeisterten Modellbauern zum Kauf anbietet. In diesen dystopischen<br />

Dioramen kommt das Fundament künstlerischer Leichtigkeit definitiv ins Schwanken.<br />

Hier gibt es keine Form mehr, auf der das Auge ausruhen könnte, geschweige<br />

denn ein Material, das die Hand gerne berühren würde. Sabine v. Fischer<br />

→ ‹Roman Gysin – Woody Shopper› und ‹Mitchell Anderson – Landschaftsgemälde›, Kunsthalle 8000,<br />

bis 20.5. ↗ kunsthalle8000.ch<br />

92 <strong>Kunstbulletin</strong> 5/<strong>2023</strong>

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