Mindmapping Art — Netzwerke und verwandte Strukturen Das Kunsthaus Zofingen bringt unter dem Begriff des «Mindmapping» drei Künstler:innen zusammen, in deren Werk Netzwerke und Kartografien einen zentralen Stellenwert einnehmen. Unter einem Dach versammelt, treten inhaltlicher Fokus und individuelle Arbeitsweise umso deutlicher hervor. Zofingen — Für Françoise Caraco (*1972) markiert die biografisch motivierte Recherche den Dreh- und Angelpunkt ihres Schaffens. Im Kunsthaus Zofingen, das unter dem Titel ‹Mindmapping Art› das assoziative Spektrum dreier künstlerischer Positionen zeigt, mündet das in eine ortsspezifische Arbeit: Caraco geht den Spuren ihrer Urgrossmutter Clara Bollag nach, die in Zofingen gelebt hat, wobei sie die Geschichte der jüdischen Bewohner:innen im Wiggertal ebenso beleuchtet, wie sie Leerstellen der Recherche als Anstoss für mögliche Geschichten heranzieht. Inszenierte Artefakte wie die aus dem Museum Zofingen stammenden Vogelpräparate und fotografierte Zeugnisse wie die in den Akten eingelegten Löschblätter oder alte Negativplatten mit Beschriftung ergeben ein Geflecht, in dem Caracos Vorfahren bildlich kaum präsent sind, die Atmosphäre von Erzählung und Zeitzeugnis aber umso evidenter hervortritt. Zusammen mit einem Video, das in subtilen, sorgfältig gesetzten Bildern und Voiceover die Recherche nachzeichnet, entwirft Caraco ein Bild von Vergessenem und Wiederentdecktem, von individuellem Schicksal und kollektiver Vergangenheit. Esther Ernst (*1977) wiederum hat sich dem Zeichnen, insbesondere kartenähnlichen Aufzeichnungen, verschrieben. In Zofingen sind mehrere grossformatige «Pläne» von Mürren, Olevano und Jena zu sehen; neben den Wechseln zwischen Übersicht und Detail, Abstraktion und Beschriftung fällt vor allem die Handhabung des Papiers ins Auge. Gerollte, lose ausschweifende Bahnen oder zusammengeklebte, gefaltete Bögen bezeugen nicht nur Ernsts Interesse am Medium der Karte, sondern auch ihre Arbeitsweise «en plein air», was portables und robustes Trägermaterial erfordert. Als spannende Ergänzung zeigt sie A5-formatige ‹gezeichnete Tage›, in denen sie seit 2017 jeden Tag schriftlich und bildlich festhält. Im Gegensatz dazu kreist die Arbeit von Gianluca Trifilò (*1982) um die harte Realität von Drogen und Medikamenten, um Abhängigkeiten und soziale Ausgrenzung. So wirkt ‹Mohnopol des Rausches› aus der Distanz als leichtfüssiges Arrangement von dünnen bedruckten Papieren, durchzogen von organisch anmutenden roten Linien. Beim Näherkommen entdeckt man Medikamentennamen und handschriftliche Verweise auf Nebenwirkungen und «Einsatzgebiete», Werbung und Abgrund. Auch die algorithmisch errechneten «Porträts» sowie die Installation im Obergeschoss thematisieren das Konglomerat von Prävention und Distribution, von Pharmakologie und Missbrauch. Irene Müller → ‹Mindmapping Art – Françoise Caraco, Esther Ernst, Gianluca Trifilò›, Kunsthaus Zofingen, bis 18.6.; Gespräch zwischen Esther Ernst und der Poetin Birgit Kempker, 4.5., 19 Uhr ↗ kunsthauszofingen.ch 96 <strong>Kunstbulletin</strong> 5/<strong>2023</strong>
Gianluca Trifilò · Gisch Halt Mol Echli. Isch Nöd So Schlimm!, <strong>2023</strong>, Ausstellungsansicht Kunsthaus Zofingen. Foto: Rachel Bühlmann Françoise Caraco · Zofinger Luft, <strong>2023</strong> (vorne, Detail); Esther Ernst · Luftrippen, Zwerchgiebel, Treppenaugen, Pechnasen ..., 2015 (hinten), Ausstellungsansicht Kunsthaus Zofingen. Foto: Rachel Bühlmann BESPRECHUNGEN // ZOFINGEN 97
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