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POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht

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kapitel 2 | II.<br />

108<br />

der öffentlichen Ordnung eine tatsächliche und hinreichende schwerwiegende Gefährdung<br />

vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt 28 .<br />

Auch insoweit wird erneut deutlich, dass die Berufung auf eine mögliche Beeinträchtigung<br />

des nationalen (hier: deutschen) Ansehens im Ausland kein gemeinschaftsrechtliches<br />

Schutzgut sein kann. Unter den vorgenannten Voraussetzungen<br />

könnte sich allein das europäische Zielland zur Rechtfertigung von Eingriffsmaßnahmen<br />

berufen, dessen Angelegenheit die Verfolgung von und Prävention vor Straftaten im<br />

eigenen Land ist.<br />

Für den Rechtsgüterausgleich ist darüber hinaus in Rechnung zu stellen, dass das<br />

Recht auf Freizügigkeit weit auszulegen ist - wegen seiner Bedeutung für das<br />

Selbstverständnis der EU und in Hinblick auf den weiteren Einigungsprozess -,<br />

Ausnahmen und Beschränkungen hingegen eng ausgelegt werden müssen 29 .<br />

Hinzu kommt im vorliegenden Fall der Bezug zur Versammlungsfreiheit, die sich in<br />

den Verfassungen der Mitgliedstaaten ebenso findet wie in Art. 11 EMRK und die<br />

auch Anerkennung durch den EuGH finden würde.<br />

d) Grundrechtsverletzungen gegen deutsche Grundrechte unter Berücksichtigung<br />

des Europarechts<br />

da) Ausreisefreiheit<br />

Der Schutz der Ausreisefreiheit im Allgemeinen durch Art. 2 Abs. 1 GG ist seit der<br />

Elfes-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unstreitig 30 . Daneben ist die<br />

Ausreisefreiheit explizit im 4. Zusatzprotokoll zur EMRK in Art. 2 („Jeder Person<br />

steht es frei, jedes Land, einschließlich des eigenen, zu verlassen“) sowie in Art. 12<br />

Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966,<br />

für beide deutsche Staaten am 23.03.1976 in Kraft getreten, niedergelegt. Diese<br />

Rechtslage ist ebenfalls unstreitig.<br />

Welche Grundrechte darüber hinaus in einem solchen Fall jedoch zur Anwendung<br />

kommen, ist umstritten. Die Gerichte haben sich bisher entweder gar nicht damit auseinandergesetzt<br />

oder eine Anwendung abgelehnt, so das VG Berlin in einer Eilentscheidung 31 .<br />

db) Versammlungsfreiheit<br />

In den einschlägigen Fällen des kollektiven Protestes muss zunächst die Versammlungsfreiheit<br />

(Art. 8 Abs. 1 GG) Berücksichtigung finden.<br />

Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Proteste fänden im Ausland statt,<br />

denn bei Ausreiseverboten oder Reiseverboten geht es nicht um einen weltumspannenden<br />

Geltungsanspruch des Grundgesetzes, sondern um die Entscheidung eines<br />

deutschen Hoheitsträgers auf deutschem Boden, die sich auf einen deutschen<br />

Staatsangehörigen auswirkt, der sich ebenfalls im deutschen Staatsgebiet befindet.<br />

Der alleinige Auslandsbezug besteht darin, dass den Betroffenen der Besuch einer<br />

Versammlung im Ausland unmöglich gemacht wird und möglicherweise auch ausländische<br />

oder gemeinschaftsrechtliche Schutzgüter betroffen sind. Es ist aber in keiner<br />

Weise ersichtlich, warum einem deutschen Staatsbürger hier der spezielle Grundrechtsschutz<br />

des Art. 8 GG abgeschnitten werden soll. Vor allem tangiert der<br />

Grundrechtseingriff kein Handeln ausländischer Hoheitsträger. Damit gilt das

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