POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht
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kapitel 1 | II.<br />
58<br />
„Nicht-Entscheidung“ wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit“ beschwerdefähig beim<br />
Landgericht ist (dort ist außerhalb der Geschäftszeiten aber nur ein Eilrichter verfügbar,<br />
wenn dies vorher organisiert wurde). Alternativ sollten die Verzögerungen und<br />
die Reaktionen des Gerichtes auf entsprechende Kontrollaufforderungen gut dokumentiert<br />
werden für den nachträglichen Rechtsweg mit besseren Argumenten und<br />
Aktenkenntnis (dazu s.u. III.) oder Dienstaufsichtsbeschwerden.<br />
d) Darlegungspflichten der Polizei gegenüber dem Richter<br />
Die Polizei muss für jeden Betroffenen - auch bei Massengeschehen - individuelle<br />
Begründungen der Freiheitsentziehungen mit konkreten Angaben zu Ort und Grund<br />
der Ergreifung, konkreten Angaben zum Sachverhalt, zur Gefahrenprognose und<br />
über mögliche Zeugen/Beweismittel angeben. Kann die Polizei keine konkreten personenbezogenen<br />
Umstände, keine konkreten Angaben zur etwaigen individuellen<br />
Tatbeteiligung 84 und keine „individuelle Täterprognose“ vorbringen, ist die Freiheitsentziehung<br />
rechtswidrig.<br />
Gibt die Polizei die Rechts- und Tatsachengrundlage der Freiheitsentziehung nicht<br />
an, ist die Freiheitsentziehung rechtswidrig wegen Ermessensmissbrauch (Nichtgebrauch<br />
des polizeilichen Entschließungs- und Auswahlermessens!) 85 . Die polizeilichen Angaben<br />
zu den Umständen der Freiheitsentziehung unterliegen in vollem Umfang der richterlichen<br />
Überprüfung, ein polizeiliches Ermessen oder ein Beurteilungsspielraum,<br />
ob die Voraussetzungen einer Freiheitsentziehung vorliegen, besteht angesichts der<br />
Schwere des Grundrechtseingriffs nicht 86 . Das polizeiliche Ermessen beschränkt sich<br />
lediglich auf die Auswahl zwischen präventivem und repressivem Vorgehen - (nur)<br />
an diese Entscheidung ist das Gericht gebunden.<br />
e) Dauer<br />
Werden Personen, die aus zulässigen Gründen (z.B. Gewahrsam, Identitätsfeststellung)<br />
festgenommen werden, später wegen des Verdachts von Straftaten festgehalten, so<br />
bleibt der Zeitpunkt der ursprünglichen Festnahme maßgeblich, nicht der Zeitpunkt<br />
der Änderung der Gründe 87 . Das Auswechseln der Rechtsgrundlage kommt nur dann<br />
in Betracht, wenn der Straftatverdacht nachträglich entstanden ist und nicht als vorgeschobene<br />
Begründung, um die Haft zu verlängern.<br />
Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter I. 3. verwiesen.<br />
8. Umfang der Nachprüfung durch das Gericht<br />
a) Zulässigkeit und Fortdauer<br />
Streitig ist immer wieder, ob der Eilrichter nur über die Fortdauer der Freiheitsentziehung<br />
ex nunc, oder auch über die anfängliche Zulässigkeit und die Dauer der Freiheitsentziehung<br />
bis zur richterlichen Überprüfung zu entscheiden hat 88 .<br />
Der Wortlaut der Vorschriften über den Richtervorbehalt lautet immer „Zulässigkeit<br />
und Fortdauer der Freiheitsbeschränkung/-entziehung“ 89 . Die im strafprozessualen<br />
Bereich vertretene Auffassung, der Eilrichter habe nur über die Zulässigkeit ab dem<br />
Zeitpunkt seiner Entscheidung und die Fortdauer zu entscheiden, ist durch die Rechtssprechung<br />
des Bundesverfassungsgerichtes eindeutig überholt (dazu s. oben I. 7.),