POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht
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einleitung<br />
8<br />
hersehbar) werden nur 10 bis 20 Polizeibeamte mit Computer zur Erfassung abgestellt,<br />
bei üblicherweise mangelhaften Kenntnissen im Schnellschreiben, Schnelldenken<br />
und mit nur ganz wenigen Druckern.<br />
Richter sind selten ausreichend vorhanden, Gerichtspersonal und Protokollbeamte<br />
häufig gar nicht - die Vorbereitung für die rechtsstaatlich erforderliche "Logistik" wird<br />
gezielt vernachlässigt.<br />
Die "Zellen" in den Gefangenensammelstellen sind keine zur menschenwürdigen<br />
Unterbringung von Gefangenen bestimmten Räume, sondern Container ohne Mobiliar<br />
für bis zu 20 Gefangene oder gar verschmutzte bis verschimmelte ehemalige<br />
Fahrzeughallen, in denen die Gefangenen mit bis zu 100 Personen nur mit je einer<br />
dünnen Isomatte und einer Wolldecke ihre Zeit verbringen müssen. Im November<br />
2001 wurden in solchen Fahrzeughallen auch noch Käfige aufgestellt, wodurch die<br />
Gefangenen weiter gedemütigt wurden. Keine Intimität, keine Toiletten, kein Wasser,<br />
kein Bett, stets schlechte Belüftung und Beheizung. Manchmal noch voyeuristisches<br />
Filmen durch auswärtige Polizeibeamte für das Heimkino, immer schlechte oder gar<br />
keine Verpflegung ... 10 .<br />
Ähnliche Erfahrungen wurden von Betroffenen auch bei anderen gesellschaftspolitischen<br />
Protestaktionen, wie Globalisierungsprotesten in München, Anti-Neonazi-<br />
Demonstrationen an vielen Orten, 1.Mai-Demonstrationen in Berlin und auch bei<br />
den "Chaostagen" gemacht 11 .<br />
Wir nennen die Umgehung aller rechtstaatlichen Sicherungen verfassungsrechtlich<br />
garantierter Freiheitsrechte "polizeilichen Selbstvollzug" und sehen in der zunehmenden<br />
Verlagerung polizeilicher Eingriffsbefugnisse und ihrer tatsächlichen<br />
Umsetzung weit über die gesetzlichen Befugnisse hinaus eine größere Gefahr für den<br />
freiheitlich demokratischen Rechtsstaat als in gewaltfreien Massenprotesten mit ggf.<br />
begrenzten, aber friedlichen Regelverstößen.<br />
Erfahrungen mit dem Richtervorbehalt in der Praxis<br />
Wir mussten allein bei den Castor-Transporten die Erfahrung machen, dass die Polizei<br />
die polizeiliche Freiheitsentziehung immer dreister zu einem Bestrafungsinstrument<br />
ausbaut und die zuständigen Eilrichter an der Nase herumführt über Kompetenzen,<br />
Tatsachengrundlage und Begründung der Eingriffsmaßnahmen ebenso wie über die<br />
Zahl und Haftbegründung der noch festgehaltenen Gefangenen.<br />
In fast allen Fällen zeigten sich die Richter im Ergebnis hilflos gegenüber den<br />
Tricks der Polizei: nur selten, nur nach Stunden und nur mit hohem (vorher organisierten)<br />
anwaltlichen Aufwand konnten die Richter überzeugt werden, Freilassungsentscheidungen<br />
zu treffen. Meistens dauert es schon Stunden, die persönliche Anhörung<br />
einiger weniger Betroffener durchzusetzen, obwohl diese gesetzlich vorgeschrieben<br />
ist und ohne die effektiver Rechtsschutz leerläuft.<br />
Im Massengeschehen liefert die Polizei zu wenig Tatsachengrundlagen, um Richter<br />
überhaupt eine Beurteilung der Festnahmeentscheidung zu ermöglichen. Mit dem<br />
Polizeigewahrsam wird versucht, die Eingriffsschwelle zu senken, die Protestierenden<br />
möglichst lange von der Straße fernzuhalten und zu zermürben. Die Richter sind in<br />
der Eilsituation unter Hausrecht der Polizei selten in der Lage, die persönliche Courage