POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht
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kapitel 1 | III.<br />
71<br />
III. Rechtsschutz nach Entlassung aus dem Gewahrsam<br />
Die Rechtslage für den nachträglichen Rechtsschutz nach Entlassung aus dem<br />
Gewahrsam ist unübersichtlich. Die landesgesetzlichen Regelungen sind ebenso unterschiedlich,<br />
wie die obergerichtliche Rechtsprechung in den Bundesländern. Auch die<br />
Auffassungen der Verwaltungsgerichte und der ordentlichen Gerichte sind uneinheitlich.<br />
Durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Rechtsschutz<br />
bei erledigten Grundrechtseingriffen 1 ist allerdings die frühere Auffassung einiger<br />
Gerichte überholt, nach erledigter Freiheitsentziehung gebe es jedenfalls bei richterlicher<br />
Entscheidung über die Freilassung weder Rechtsmittel noch eine nachträgliche<br />
richterliche Überprüfung 2 . Mit Beschluss vom 30.04.1997 3 hat das Bundesverfassungsgericht<br />
die frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach Art. 19 Abs. 4<br />
GG bei erledigten Grundrechtseingriffen in der Regel eine nachträgliche gerichtliche<br />
Prüfung durch die Fachgerichte nicht verlange. Zur Gewährleistung des „effektiven<br />
Rechtsschutzes“ kann seitdem auch die richterliche Entscheidung zur Freiheitsentziehung<br />
im vorgesehenen Instanzenzug trotz Freilassung inhaltlich überprüft werden 4 . Diese<br />
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wird von den Instanzgerichten nur<br />
langsam umgesetzt - allerdings mit der zunehmenden Tendenz, den gesamten nachträglichen<br />
Rechtsschutz den ordentlichen Gerichten zuzuweisen, während früher<br />
(wenn überhaupt) nach Entlassung überwiegend die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte<br />
angenommen wurde. Damit sind u.U. Einschränkungen im Verfahren und in der<br />
Kontrolldichte verbunden.<br />
Für den nachträglichen Rechtsschutz gibt es danach verschiedene Möglichkeiten,<br />
je nachdem, ob bereits eine richterliche Entscheidung im Gewahrsam getroffen oder<br />
herbeigeführt wurde, je nach landesgesetzlicher Regelung und je nachdem, ob die<br />
Freiheitsentziehung nach <strong>Polizeirecht</strong> oder Strafprozessrecht begründet wurde:<br />
- Rechtsmittel gegen eine bereits ergangene richterliche Entscheidung im ordentlichen<br />
Rechtsweg (sofortige Beschwerde, weitere sofortige Beschwerde - s. hierzu<br />
oben II. 9. a) und c) sowie unten III. 4. c)<br />
- Antrag auf nachträgliche richterliche Überprüfung der Freiheitsentziehung zum<br />
Amtsgericht (mit sofortiger Beschwerde und weiterer sofortiger Beschwerde - ggf.<br />
nach Zulassung durch das Landgericht - (s. hierzu unten III. 4)<br />
- Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zum Verwaltungsgericht<br />
(s. hierzu unten III. 2. und 5).<br />
- Antrag nach § 98 Abs. 2 StPO (analog) zum Amtsgericht bei repressiver Freiheitsentziehung<br />
im Ermittlungsverfahren mit Beschwerde nach § 304 StPO zum Landgericht (s. hierzu<br />
unten III. 6.)<br />
Es ist in vielen Einzelpunkten noch unklar, wie die jüngere Rechtsprechung des<br />
Bundesverfassungsgerichtes von den Instanzgerichten umgesetzt werden wird, daher<br />
können die nachfolgenden Ausführungen nur als „Wegweiser“ betrachtet werden.<br />
Verbindliche Empfehlungen sind beim gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung und<br />
unseren Erfahrungen mit überwiegend erfolglosen Anfechtungen polizeilicher Freiheitsentziehungen<br />
über viele Jahre nicht möglich. Zudem liegt jeder Fall anders.<br />
Insbesondere gehen in der Regel jeder Freiheitsentziehung bei Bürgerprotesten