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POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht

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kapitel 1 | I.<br />

36<br />

tivgewahrsam von Polizeikräften gerne als „Ersatzbestrafung“ aus eigener Machtvollkommenheit<br />

ausgestaltet wird. Mit Hinweis auf die Dauer der „Abarbeitung“ einiger<br />

hundert Festgehaltener wird die Herbeiführung der Richterentscheidung verzögert<br />

oder unterlassen.<br />

Wegen des Richtervorbehaltes in Art. 104 Abs. 2 GG muss die Polizei aber auch<br />

bei Massengeschehen unverzüglich eine richterliche Entscheidung für jeden Betroffenen<br />

herbeiführen. Da absehbar ist, dass die Abwickelung von massenhaften Gewahrsamnahmen<br />

aus sich heraus „Sand im Getriebe“ verursacht, sind die Anforderungen an die<br />

Einschaltung des Eilrichters gesteigert. Die Polizei muss dann das Gericht besonders<br />

frühzeitig beteiligen - um dem Richtervorbehalt zur Durchsetzung zu verhelfen -,<br />

wenn Massenfestnahmen von gewisser Dauer bekannt sind und die Personen entweder<br />

draußen stundenlang festgehalten werden oder in Gefangenensammelstellen<br />

verbracht werden sollen. Die Anordnung der Gewahrsamnahme erfolgt i.d.R. durch<br />

die oberste Einsatzleitung - ein echter „Eilfall“ liegt dabei häufig nicht vor, insbesondere<br />

dann nicht, wenn zunächst eine längere Einkesselung vor Ort erfolgt. Wird<br />

der Richtervorbehalt ernst genommen, kann die Entscheidung, ob ein Abtransport<br />

zur Gefangenensammelstelle erfolgen soll, ebenso gut wie mit der zentralen Einsatzleitung<br />

gleich auch mit den zuständigen Richtern abgestimmt oder jedenfalls zeitgleich die<br />

Richterentscheidung in die Wege geleitet werden.<br />

In solchen Einsatzlagen ist die Polizei ohne weiteres - ggf. telefonisch - in der<br />

Lage, das Gericht sofort zu informieren über die Anzahl der Festgenommenen und<br />

einen Überblick über den Sachverhalt und die Begründung der Freiheitsentziehung<br />

zu übermitteln. Dies ersetzt nicht den Antrag in jedem Einzelfall, versetzt das Gericht<br />

selbst aber frühzeitig in die Lage, eigene organisatorische Vorkehrungen für unverzügliche<br />

Entscheidungen zu treffen und seine Wächteraufgabe im Rahmen der<br />

Gewaltenteilung von Amts wegen wahrzunehmen.<br />

Die Polizei kann personenbezogene Daten und konkrete Tatvorwürfe ggf. nachliefern,<br />

da ja auch die vorgeschriebene persönliche Anhörung der Betroffenen erst<br />

später stattfindet. Die frühzeitige Information ist jedoch die einzige Möglichkeit, willkürliche<br />

Freiheitsentziehungen zu verhindern und den Richter ins seiner Funktion als<br />

„Wächter des Freiheit“ zu beteiligen.<br />

Auch Art. 5 Abs. 3 MRK schreibt vor, dass ein Richter die Freiheitsentziehung<br />

von Amts wegen zu überprüfen hat, um willkürliche Haft und Misshandlungen<br />

Festgenommener zu verhindern 153 .<br />

e) Absehen von richterlicher Entscheidung wegen Verzögerung - nachträgliche<br />

Richterentscheidung<br />

Alle Polizeigesetze sehen vor, dass die Herbeiführung der richterlichen Entscheidung<br />

entbehrlich ist, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung des Richters erst nach<br />

Wegfall des Grundes der polizeilichen Maßnahme ergehen würde (so z.B. § 19 Abs.<br />

1 S. 2 NGefAG). Da der Richtervorbehalt dem Schutz der Betroffenen, nicht aber<br />

der Verlängerung des Eingriffs dienen soll, muss die Richterentscheidung in diesen<br />

Fällen nicht abgewartet werden. Allerdings muss bei der danach erforderlichen<br />

Prognoseentscheidung eine „den verfassungsrechtlichen Erfordernissen entsprechende<br />

Gerichtsorganisation“ zu Grunde gelegt werden 154 . Eine andere Frage ist allerdings,<br />

ob in diesen Fällen eine nachträgliche Entscheidung des Richters nach Entlassung

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