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POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht

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kapitel 1 | II.<br />

57<br />

c) Verzögerte „Erfassung“, Fehlende Aktenvorlage<br />

Ist der Antrag gestellt, fehlen häufig die „Akten“.<br />

Person ist gefangen, Personalausweis beim Einsteigen in den Gefangenenbus kontrolliert,<br />

ein „Laufzettel“ ausgefüllt - und dennoch scheint es die Person einfach nicht<br />

mehr zu geben, solange sie nicht im Computer der Gefangenen-Sammelstelle erfasst<br />

und ein Aktenvorgang angelegt wurde.<br />

Richter entscheiden ungern ohne Kenntnis der polizeilichen Vorwürfe, alle warten<br />

auf die Akte... Zwanzig abstürzende Computer mit drei langsamen Druckern,<br />

dreißig mäßig schreibgewandte Polizisten im Dauereinsatz „schaffen´s einfach nicht“,<br />

Hunderte von Festgenommenen „abzuarbeiten“.... Der Bereitschafts- und Eildienst<br />

der Richter ist müde und will nach Hause... 82 - wer bis dahin nicht durch richterliche<br />

Entscheidung entlassen ist, bleibt über Nacht.... So enden Freiheitsentziehungen trotz<br />

gesetzlichem Richtervorbehalt häufig im „Polizeilichen Selbstvollzug“.<br />

Ohne Antrag der Polizei ist die Freiheitsentziehung rechtswidrig. Die Polizei muss<br />

die richterlichen Überprüfung beantragen und die gesetzlichen Voraussetzungen und<br />

Tatsachen darlegen, die dem Richter die eigenständige Prüfung ermöglichen. Unterlässt<br />

die Polizei die unverzügliche Antragstellung und Begründung, so ist die Freiheitsentziehung<br />

immer rechtswidrig.<br />

Hier können die Betroffenen unter Berufung auf die Wächterfunktion des Gerichtes<br />

und dessen Pflicht zur eigenständigen Sachverhaltsermittlung und Übernahme der<br />

Exekutivverantwortung die Freilassung oder eine vorgezogene persönliche Anhörung<br />

und ggf. mündliche Stellungnahme der Polizeibeamten verlangen.<br />

Das Gericht ist zu überzeugen, dass auch eine vorgezogene Anhörung der Beschleunigung<br />

für alle und rechtsstaatlichen Grundsätzen dient. Und siehe da: die Akten<br />

finden sich auch an (oder die Polizei kann gar keine Festnahmegründe vortragen!) 83 .<br />

Das Gericht kann der Polizei Fristen zur Vorlage der Begründung und zur Vorführung<br />

der Gefangenen setzen und die Freilassung anordnen, wenn diese Mitwirkungspflichten<br />

der Polizei nicht fristgerecht erfüllt werden.<br />

Zu prüfen ist auch eine „Sammelentscheidung“(nur zur Beschleunigung der Freilassung<br />

möglich!): Ein Vorgang aus einer bestimmten Gruppe von Betroffenen ist<br />

vielleicht schon als Aktenvorgang da - darüber kann das Gericht entscheiden. Zugleich<br />

kann es über 20 gleichgelagerte Fälle, für die noch keine Akten vorliegen, entscheiden,<br />

wenn der Sachverhalt im wesentlichen gleich ist (ggf. nach Anhörung der<br />

Betroffenen und/oder der Polizei), und anordnen, dass die Betroffenen aus denselben<br />

Gründen freizulassen sind. Der Anspruch der Betroffenen auf eine Einzelfallentscheidung<br />

entfällt damit allerdings nicht - dieses kann das Gericht von Amts<br />

wegen nachholen, sofern die Betroffenen nicht wegen der grundrechtsfreundlichen<br />

Haltung des Gerichtes darauf verzichten.<br />

Folgt der Leiter der Gefangenensammelstelle einer solchen richterlichen Anordnung<br />

zur Freiheitsentziehung nicht, begeht er Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), denn die<br />

Eingriffskompetenz liegt ab Befassung des Gerichtes allein beim Richter. Freiheitsberaubung<br />

liegt auch vor, wenn die verantwortlichen Polizeibeamten den zuständigen Richter<br />

mit unvollständigen oder falschen Angaben irreführen.<br />

Schreitet das Gericht gegen offensichtliche Verzögerungsmaßnahmen der Polizei<br />

nicht ein (von denen es sich ggf. selbst einen Eindruck durch Besuche in den Zellen<br />

und den Bearbeitungsräumen der Polizei machen sollte), ist immer zu prüfen, ob eine

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