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POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht

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kapitel 1 | I.<br />

30<br />

terliche Entscheidung herbeiführen. Ab diesem Zeitpunkt liegt die Eingriffskompetenz<br />

ausschließlich beim Gericht (dazu s. unten 9. und 10).<br />

Auch wenn die Polizei die Festnahme nacheinander auf verschiedene Begründungen<br />

und Rechtsgrundlagen stützt, bleibt immer der Zeitpunkt des erstmaligen Eingriffs<br />

in die Freiheit und nicht der Zeitpunkt der Änderung der Begründung maßgeblich 104 .<br />

Die Polizei hat die richterliche Freilassungsentscheidung sofort ohne erneute eigene<br />

Prüfungen umzusetzen. Hält sie den Betroffenen weiter fest, wird damit die<br />

Wächterfunktion des Richters ausgehebelt, die Art. 104 Abs. 2 GG gewährleisten soll.<br />

Außerdem ist dies ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 und 3 GG (Rechtsstaat, Gewaltenteilung)<br />

und strafbar nach § 239 StGB.<br />

10 . Höherrangiges Recht zum Richtervorbehalt (Art. 104 Abs. 2 GG, Art.<br />

5 MRK) und Versammlungsrecht (Art. 8 GG)<br />

a) Art. 104 Abs. 2 GG<br />

Der hohe Rang des Grundrechtes auf persönliche Freiheit spiegelt sich darin, dass<br />

staatliche Eingriffe nicht nur unter Gesetzes- sondern auch unter Richtervorbehalt<br />

stehen.<br />

Art. 104 Abs. 2 GG lautet:<br />

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur<br />

auf Grund der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene<br />

Personen dürfen weder körperlich noch seelisch misshandelt werden.<br />

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter<br />

zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterliche Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung<br />

ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus<br />

eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach<br />

dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln. ...<br />

Der Richtervorbehalt dient der formellen Sicherung der materiellen Freiheitsgarantie<br />

des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und soll ein unkontrolliertes Verschwindenlassen oder<br />

Misshandlungen von Gefangenen nicht nur im Extremfall verhindern. Die persönliche<br />

Freiheit des Einzelnen soll im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat im höchstmöglichen<br />

Maße von allen staatlichen Organen gewährleistet werden. Angesichts der<br />

Schikanen von Betroffenen bei Massenfestnahmen ist dieses Postulat unangenehm<br />

aktuell.<br />

Nach der jüngsten, inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes<br />

sind alle staatlichen Organe verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der<br />

Richtervorbehalt als Grundrechtssicherung praktisch wirksam wird 105 .<br />

Gemäß Art. 104 Abs. 2 S.1 GG setzt die Freiheitsentziehung grundsätzlich eine<br />

vorherige richterliche Anordnung voraus, die nachträgliche richterliche Entscheidung<br />

ist der Ausnahmefall, wenn andernfalls der verfassungsrechtlich zulässige Zweck der<br />

Freiheitsentziehung nicht erreichbar wäre 106 . Die Nachholung der Richterentscheidung<br />

ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Freiheitsentzug vor Ablauf der Frist des<br />

Art. 104 Abs. 2 S. 3 GG endet, denn dieser markiert nur die äußerste zeitliche Grenze,<br />

befreit aber nicht von der Verpflichtung zur unverzüglichen Herbeiführung der

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