POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht
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kapitel 2 | II.<br />
110<br />
Zuletzt darf der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes<br />
nicht vergessen werden. Das Bundesverfassungsrecht hat schon früh anerkannt, dass<br />
Art. 5 GG auch die Meinungsäußerung im Ausland schütze 34 . Richtigerweise muss<br />
aus den Gründen auch hier der spezielle Grundrechtsschutz des Art. 8 GG für<br />
Versammlungen im Ausland greifen 35 . Ob dieser Schutz dogmatisch durch die direkte<br />
Anwendung von Art. 8 GG gewährleistet wird oder ob man die Grundrechtsschranken<br />
und Schranken-Schranken des Art. 8 GG analog anwendet, kann dabei offen bleiben.<br />
Wichtig ist lediglich festzuhalten, dass den Betroffenen der spezielle Grundrechtsschutz<br />
durch Art. 8 GG nicht versagt werden kann.<br />
Davon ausgehend stellen zahlreiche Ausreiseverbote einen rechtswidrigen Eingriff<br />
in den Schutzbereich von Art. 8 GG dar. In diesen fällt nämlich auch der Vorgang<br />
des Sich-Versammelns, insbesondere steht auch die Anreise bereits unter Grundrechtsschutz.<br />
Sonst liefe das Versammlungsrecht Gefahr, durch Maßnahmen im Vorfeld<br />
eine Grundrechtsausübung ausgehöhlt zu werden 36 . Auch die Möglichkeit, im Rahmen<br />
einer ex-ante Sicht im voraus von einer nur-gewalttätigen Versammlung auszugehen<br />
und damit den Grundrechtsschutz zu verweigern, ist nur unter sehr strengen Voraussetzungen<br />
möglich und in der Regel auf die oft mehrtägigen Anti-Globalisierungsveranstaltungen<br />
sehr unterschiedlicher TeilnehmerInnen nicht anwendbar. Dass<br />
auch die Ankunft einiger gewaltbereiter Teilnehmer zu erwarten ist, darf nicht das<br />
Grundrecht aller übrigen TeilnehmerInnen aushöhlen. Wenn Rechtsverstöße nicht<br />
von der Gesamtgruppe getragen werden, sondern von Einzelnen innerhalb einer sonst<br />
friedlichen Versammlung ausgehen, so wird dadurch die Friedlichkeit der Versammlung<br />
nicht beeinträchtigt. Die Globalisierungsproteste umfassten stets eine Vielzahl friedlicher,<br />
von breiten Gesellschaftsschichten getragene Veranstaltungen. Sogar in Bezug<br />
auf die Ereignisse in Genua kann im nachhinein nicht mehr geklärt werden, ob die<br />
Demonstrationen friedlich verlaufen wären, wenn das Konzept der Veranstalter ohne<br />
Eingriffe der Polizei hätte entfaltet werden können. Die Demonstration im Vorhinein<br />
als gewalttätig deklarieren zu dürfen, wäre eine Generalvollmacht, jegliches Versammeln<br />
zu unterbinden.<br />
Einschränkungen der Versammlungsfreiheit können auch nicht auf das Passgesetz<br />
gestützt werden, da für Einschränkungen des Art. 8 Abs. 1 GG das Versammlungsgesetz<br />
als allgemein abschließend gilt.<br />
Schließlich können auch zu erwartende Straftaten oder angebliche Gewaltbereitschaft<br />
der Betroffenen einen solchen Eingriff nicht rechtfertigen. Selbst straffällig gewordenen<br />
Personen kann nicht auf Dauer von vornherein unmöglich gemacht werden,<br />
sich zu versammeln. Vielmehr ist die Versammlung insoweit durch Begleitmaßnahmen<br />
zu schützen - dies ist jedoch Aufgabe der Sicherheitskräfte des Gastlandes 37 . Andernfalls<br />
würde eine Kette von Bescheiden wie dem angefochtenen auf eine Verwirkung des<br />
Grundrechts der Versammlungsfreiheit für die Betroffenen hinauslaufen, ohne dass<br />
eine solche nach Art. 18 GG vom Bundesverfassungsgericht entschieden worden<br />
wäre.<br />
e) Verhältnismäßigkeit<br />
Die Ausreiseverbote sind nach allem auch unverhältnismäßig. Der Zweck, Protestversammlungen<br />
im Ausland zu verhindern, verstößt gegen höherrangiges Recht,