POLIZEILICHE FREIHEITSENTZIEHUNG ... - RAV-Polizeirecht
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kapitel 1 | III.<br />
72<br />
Eingriffe in das Versammlungsrecht und die Freizügigkeit voraus, es folgen fast immer<br />
Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch Aufnahme<br />
in diverse Polizeidateien. Daher ist die isolierte Überprüfung der Freiheitsentziehung<br />
im ordentlichen Rechtsweg immer eine recht willkürliche Reduzierung des Prüfungsumfanges,<br />
wenn die Betroffenen nicht mehrere Klagen anstrengen wollen.<br />
Insgesamt sind die Rechtsschutzmöglichkeiten im geltenden Recht „in schwer zu<br />
durchschauender Weise mehrfach gespalten und werden von den Fachgerichten uneinheitlich<br />
gehandhabt“ 5 .<br />
Verwirrung über den nachträglichen Rechtsschutz entsteht auch aus der Doppelfunktion<br />
der Richter bei Ausübung des Richtervorbehaltes als Exekutivorgan und gleichzeitig<br />
Kontrollorgan zur Grundrechtssicherung. Weitere Unklarheiten ergeben sich aus<br />
unterschiedlichen Rechtmäßigkeitsmaßstäben bei staatlichen Eingriffen in der Eilsituation<br />
einerseits und der nachträglichen richterlichen Kontrolle andererseits. Im nachträglichen<br />
Rechtsschutz muss nach objektiven Maßstäben aus der Sicht „ex post“ der<br />
Grundrechtseingriff in vollem Umfang justiziabel sein, während in der Eilsituation<br />
nur der sog. „eingeschränkte Rechtmäßigkeitsbegriff“ der „ex ante“ - Situation aus<br />
Sicht der handelnden Exekutivorgane Anwendung findet. Diese Unterschiede im<br />
Prüfungsmaßstab werden in der Diskussion um Rechtsweg und Verfahren bisher vernachlässigt.<br />
De lege lata sollte - wie in Hamburg - eindeutig klargestellt werden, dass die nachträgliche<br />
Überprüfung von polizeilichen Freiheitsentziehungen stets den Verwaltungsgerichten<br />
obliegt. Nur dort ist durch ein geregeltes Verfahren und spezielle Kompetenzen<br />
der Richter im <strong>Polizeirecht</strong> und im Recht der Eingriffsverwaltung „effektiver“<br />
Rechtsschutz zu erwarten. Richter am Amtsgericht sind als Einzelrichter nicht<br />
nur häufig mit der komplexen Sachverhaltsaufklärung überfordert, sondern auch<br />
durch ihre gleichzeitige Funktion als „Ermittlungsrichter“ und „Eingriffsrichter“ mit<br />
eigenen Exekutivbefugnissen als Kontrollorgan der Polizei in „gemeinsamer Sache“<br />
nur bedingt geeignet. Zudem ist vor dem Amtsgericht zu befürchten, dass der Umfang<br />
der Sachverhaltsaufklärung und der Prüfungsmaßstab durch den Richter als „Eingriffsrichter“<br />
im Eilfall nicht hinreichend unterschieden wird von den umfassenden<br />
Aufklärungs- und Prüfungsaufgaben in der nachträglichen Kontrollfunktion als<br />
„Rechtsschutzrichter“.<br />
1. Rechtsweg für präventivpolizeiliche Freiheitsentziehungen - § 40 VwGO<br />
und Sonderzuweisungen<br />
Über alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art haben<br />
nach § 40 Abs. 1 VwGO die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, soweit nicht eine<br />
gesetzliche Sonderzuweisung besteht.<br />
Bis zum sog. „Hamburger Kessel“ 1986 6 bestand bundesweit Einigkeit, dass nach<br />
Entlassung aus dem Gewahrsam der nachträgliche Rechtsschutz nach § 113 Abs. 1<br />
S. 4 VwGO erfolgt, jedenfalls dann, wenn im Gewahrsam keine richterliche Entscheidung<br />
getroffen wurde 7 . Rechtsmittel gegen richterliche Entscheidungen im Gewahrsam<br />
nach Entlassung wurden damals von vielen ordentlichen Gerichten für unzulässig gehalten<br />
8 - seinerzeit war zudem der FGG-Instanzenzug nicht wie heute ausgestaltet.