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Auswirkungen betrieblicher Reorganisation<br />

Im flexiblen Kapitalismus, der vom Motto: „Nichts Langfristiges“ (Sennett) beherrscht<br />

wird, in dem die permanente Veränderung das einzig Kontinuierliche bleibt, werden<br />

jene, deren Stärken nicht zuletzt in der Kontinuität ihrer beruflichen Erfahrung liegen,<br />

als defizitär wahrgenommen. Ihnen werden vom Management mangelnde Veränderungs-<br />

und Anpassungsbereitschaft und fehlender Weiterbildungswille zugeschrieben,<br />

sie werden mit Etiketten wie Bremser und Zögerer im Innovationsprozeß bedacht und<br />

ihre Kompetenzen und Fähigkeiten als überholt bewertet. In einem solchen ideologiegetränkten,<br />

gesellschaftlichen wie betrieblichen Klima verwandelt sich „Erfahrung“ von<br />

einer traditionellen und anerkannten Stärke von Älteren in einen Fluch – zumindest in<br />

der Wahrnehmung der entscheidenden betrieblichen Akteure. Erfahrung, so scheint es<br />

auf den ersten Blick, wird durch Technologiesprünge, Flexibilisierung der Arbeit und<br />

Verkürzung von Innovationszyklen in den Betrieben entwertet und dadurch zu einem<br />

„Klotz am Bein“ moderner Unternehmen.<br />

Im Rahmen von Geschäftsstrategien, die v.a. die Kostenführerschaft anstreben, wird die<br />

Verjüngung der Belegschaft als ein entscheidendes Instrument eingesetzt, um den Preis<br />

der Arbeit zu drücken, wie Reindl in seiner Innovationsstudie feststellt.<br />

„Die älteren und erfahrenen Mitarbeiter, die eine eigene Arbeitsidentität und einen<br />

Berufsstolz ausgebildet haben, gelten in der Wahrnehmung der neuen Manager,<br />

denen die Kostenführerschaft mehr bedeutet als die Technologieführerschaft, als<br />

Störfaktoren der Vermarktlichung. Einen eigenen Kopf zu haben und jede neue<br />

Reorganisationsmarotte mitzumachen, läßt sich tatsächlich nicht vereinbaren.“<br />

(Reindl 2000:300)<br />

Demgegenüber muten die beharrlichen Hinweise von Arbeitsmarktexperten und<br />

Gewerkschaften auf „Erfahrung“ als starkes Argument für die Beschäftigung dieser<br />

Gruppe wie ein Kampf gegen Windmühlen an. Das hängt zum einen sicherlich mit der<br />

starken Wirkungskraft der Flexibilisierungs-Ideologie zusammen. Zum anderen aber<br />

auch damit, daß die Argumentation zumeist sehr vage bleibt und über den Charakter von<br />

Appellen nicht hinaus kommt. Je öfter aber der Begriff Erfahrung verwendet wird, ohne<br />

daß genau benannt wird, worin die eigentlichen Vorzüge und praktischen Stärken<br />

bestehen, desto mehr nutzt sich der Begriff ab und verliert an Wirksamkeit.<br />

Im folgenden wird versucht, diesen blinden Fleck zu überwinden. Auf der Grundlage<br />

eines inzwischen empirisch ausreichend abgesicherten theoretischen Ansatzes kann<br />

gezeigt werden, wie Erfahrung konkret im Arbeitshandeln von ArbeiterInnen zum<br />

Ausdruck kommt und worin die spezifischen Qualitäten erfahrener Arbeitskräfte<br />

bestehen. Die Untersuchungen und Entwicklungsprojekte, die auf Basis dieses Ansatzes<br />

durchgeführt wurden, konnten unter anderem aufzeigen, daß der Stellenwert von<br />

erfahrungsgeleitetem Handeln selbst in den hochautomatisiertesten Bereichen industrieller<br />

Produktion nach wie vor von großer Bedeutung ist. Daher macht es Sinn, sich auch<br />

im Hinblick auf die Arbeitsplätze der Zukunft mit dem Thema Erfahrung zu befassen.<br />

Forschungsbericht 4/2001_______________________________________________________________________10

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