469kB - FORBA
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Erfahrung als besondere Humanressource<br />
Rückgriff auf dokumentierte, niedergeschriebene Vorgangsweisen ist in solchen<br />
Momenten zumeist verwehrt. Die häufig souveräne Bewältigung solch kritischer<br />
Situationen basiert auf dem in langjähriger Erfahrung erworbenen Wissen um die<br />
Existenz von Unwägbarkeiten und der subjektiven Sicherheit, damit auch fertig zu<br />
werden. „Also irgendwie hängt man an der Anlage. ... wenn wirklich Probleme<br />
auftauchen, ich weiß genau, auf der 5-er da kann nichts kommen, weil die Maschine<br />
kenne ich in- und auswendig.“ Dabei werden nicht nur eingelernte Handlungsmuster<br />
aktiviert, sondern diese vielmehr modifiziert und dem aktuellen Problem angepaßt.<br />
Verarbeitung von unvollständigen, diffusen Informationen in Form von gefühlsbezogenen<br />
Ahnungen und Intuition<br />
Eine spezielle Funktion von Erfahrung besteht darin, unvollständige, unklare oder<br />
mehrdeutige Informationen nicht nur aufzunehmen, sondern auch zu handlungsleitenden<br />
Schlußfolgerungen zu verarbeiten. Wichtig ist dabei, daß diese Wahrnehmungen häufig<br />
unmittelbar an Gefühlstönungen gekoppelt sind. Das hängt damit zusammen, daß die<br />
Arbeiter im Laufe der Zeit eine persönliche Beziehung zu ihrer Arbeit, ihrer Anlage<br />
aufgebaut haben. „Sobald ich beim Portier reingehe, wenn eine Maschine steht, da geht<br />
mir was ab“, formulierte es ein Papierarbeiter im Interview. Die Verarbeitung des<br />
fehlenden Geräusches geht mit gefühlsmäßigen Empfindungen einher. Mit der Zeit<br />
entwickeln die Arbeiter also ein „Gespür“ für bestimmte Vorgänge und erleben<br />
praktisch, daß sie sich auf ihr „Gefühl“ verlassen können, was wiederum zu subjektiver<br />
Sicherheit im Umgang mit unbestimmten Arbeitssituationen führt.<br />
Mit einem solchen erweiterten und umfassenden Verständnis werden Zugänge zu den<br />
tieferliegenden Potentialen von Erfahrung eröffnet, das über vorhandene oberflächliche<br />
Betrachtungsweisen hinausgeht und neue Blickwinkel auf die Frage nach deren Aktualität<br />
und Relevanz in modernen Arbeitsprozessen ermöglicht.<br />
„Ein zentraler Bestandteil des sog. Erfahrungswissens sind demnach nicht nur detaillierte<br />
Kenntnisse praktischer Gegebenheiten oder die Anwendung von Erfahrungen,<br />
die in der Vergangenheit angesammelt wurden. Wichtig ist vor allem der<br />
Aspekt des „Erfahrens“ bzw. des „Erfahrung-Machens“. Das Erfahrungswissen beruht<br />
demnach auf einer besonderen Methode der Auseinandersetzung mit konkreten<br />
Gegebenheiten, und zwar sowohl was deren Erkenntnis als auch was den praktischen<br />
Umgang hiermit betrifft.“ (Böhle 1998:242)<br />
Damit sind die wichtigsten Eckpunkte des Ansatzes „erfahrungsgeleiteten Arbeitens“<br />
vorgestellt, der als Fundament dafür angesehen werden kann, den besonderen Stellenwert<br />
spezifischer erfahrungsbasierter Kompetenzen älterer ArbeitnehmerInnen herauszuarbeiten.<br />
Es kann gezeigt werden, daß Erfahrung unter dieser Perspektive nicht „altes<br />
Eisen“ darstellt, sondern als lebendige produktive Gestaltungskraft wirken kann.<br />
2.3. Erfahrung als Schlüsselqualifikation<br />
Die Aktualität und Leistungsfähigkeit erfahrungsbasierter Kompetenzen auch für<br />
hochmoderne Arbeitsprozesse haben sich in empirischen Studien (siehe Fußnote 1)<br />
Forschungsbericht 4/2001_______________________________________________________________________17