ursprung, zwiespalt und einheit der seele - Gustav Hans Graber ...
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dem Fruchtwasser, in dem es schwimmt, zu trinken, eine Funktion, die<br />
sich bis zur Geburt fortsetzt. In den letzten zwei Monaten können es 2-3<br />
Liter pro 24 St<strong>und</strong>en sein.<br />
Aus einem Brief von M. LILEY an mich ist zu entnehmen, daß sie <strong>und</strong> ihr<br />
Gatte neuerdings auch sichere Beweise dafür haben, daß <strong>der</strong> Fetus<br />
bereits auch Geschmacksempfindungen hat, während <strong>der</strong> Geruchssinn<br />
kaum funktioniert. Daß <strong>der</strong> Tastsinn sogar sehr ausgebildet ist, zeigt sich<br />
schon daran, daß <strong>der</strong> Fetus z. B. bei einer Injektion von antibiotischer,<br />
kalter Lösung in die Fruchtblase, heftige Reaktionen zeigt: rascherer<br />
Herzschlag, wild um sich schlagen, öffnen des M<strong>und</strong>es wie zum<br />
Schreien. Bei Berührung mit <strong>der</strong> Injektionsnadel verkrampft sich <strong>der</strong><br />
kleine Körper. Daß das Ungeborene von früh an als Fetus am Daumen<br />
lutscht, das Gesicht zum Schreien verzieht, wenn er ihn verliert, hat Dr.<br />
Geraldine Lux FLANAGAN mit Bildaufnahmen in ihrem reich illustrierten<br />
<strong>und</strong> sehr empfehlenswerten Buch »Die ersten neun Monate des Lebens«<br />
(Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1963) anschaulich gemacht.<br />
Was wir bislang nie genügend in Betracht gezogen haben, das ist die<br />
Tatsache, daß das Kind in einer Vorwegnahme - außer des<br />
Geruchssinnes - intrauterin alle Sinnesorgane ausbildet, um so gleichsam<br />
auf das so neuartige Leben nach <strong>der</strong> Geburt vorbereitet zu sein. Daß<br />
das noch ungeborene Kind außerordentlich stark schmerz- <strong>und</strong><br />
kälteempfindlich ist, haben wir bereits erwähnt.<br />
Ich füge nur bei, daß bis vor geraumer Zeit immer wie<strong>der</strong> behauptet<br />
wurde, das Kind könne bei <strong>der</strong> Geburt keine Schmerzen empfinden, da<br />
<strong>der</strong> dafür maßgebliche Gehirnteil noch nicht funktionsfähig sei. Die<br />
Kin<strong>der</strong>ärztin M. LILEY findet, daß die Schmerzen, die die Mutter bei <strong>der</strong><br />
Geburt erleidet, gering sind gegenüber dem, was das Kind<br />
durchmacht. Erschöpft, mit verzerrten Gesichtszügen <strong>und</strong> verformtem<br />
Kopf kommt es zur Welt: - Das erste <strong>und</strong> zugleich größte Trauma seines<br />
Lebens.<br />
Freilich, <strong>der</strong> Mensch kann im nachgeburtlichen Leben in totbringende<br />
Situationen geraten, aus denen er gerettet wird. Er wird diese<br />
Todestraumata stets unbewußt wie eine Wie<strong>der</strong>holung seiner Geburt<br />
erleben, bei <strong>der</strong> es ebenfalls - wenigstens für Sek<strong>und</strong>en - um Leben o<strong>der</strong><br />
Tod gehen kann.<br />
In seinem Nachwort zum Werk von G. L. FLANAGAN stellt <strong>der</strong> bekannte<br />
Baseler Biologe Adolf PORTMANN fest: "Für den Biologen aber stellt <strong>der</strong><br />
Geburtsmoment eine Reihe von Fragen, die diesen beson<strong>der</strong>en<br />
Augenblick unseres Daseins in größeren Zusammenhängen erscheinen<br />
lassen, in Beziehungen, die für das Verständnis unserer ganzen