ursprung, zwiespalt und einheit der seele - Gustav Hans Graber ...
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» . . . es wäre unsinnig zu glauben, daß die Seele erst mit dem<br />
Augenblick <strong>der</strong> Geburt zu wirken beginnt. . .« (von mir hervorgehoben).<br />
Und weiter schrieb er dort: » . . . wir können behaupten, daß die Spuren<br />
intrauteriner psychologischer Vorgänge nicht ohne Einfluß auf die<br />
Gestaltung des nach <strong>der</strong> Geburt sich produzierenden psychischen<br />
Materials bleiben.« Obwohl FERENCZI über seinen Tod hinaus einer <strong>der</strong><br />
geachtetsten Psychoanalytiker war, blieben die obig zitierten<br />
Darlegungen bis in die heutige Zeit hinein kaum beachtet o<strong>der</strong> wurden<br />
bestritten.<br />
Umso erstaunlicher <strong>und</strong> erfreulicher war mir ein kürzlich geführtes<br />
Gespräch mit Prof. Dr. med. Max BERGER, dem Ordinarius für<br />
Gynäkologie (Frauenheilk<strong>und</strong>e) <strong>der</strong> Berner Universität, <strong>der</strong> zugleich<br />
Direktor <strong>der</strong> Universitäts-Frauenklinik ist. Auf meine Frage nach seiner<br />
Auffassung über das intrauterine Seelenleben des Kindes antwortete er<br />
spontan: »Es wäre lächerlich anzunehmen, daß die Seele erst nach <strong>der</strong><br />
Geburt im Körper des Kindes zu leben begänne.« Wir sind sehr<br />
überrascht, wie fast gleichlautend die Feststellungen zweier<br />
maßgeben<strong>der</strong> Wissenschaftler aus unterschiedlicher medizinischer<br />
Richtung <strong>und</strong> aus Zeiten, die mehr als 55 Jahre auseinan<strong>der</strong>liegen, sind.<br />
Es lag mir daran, den Leser dieser Schrift einführend mit zwei<br />
maßgeblichen Urteilen über das vorgeburtliche Seelenleben<br />
bekanntzumachen. Denn die wesentlichste Phase unseres Lebens,<br />
während welcher im Mutterleib ein Wachstum aus dem befruchteten Ei<br />
zu einem lebensfähigen Menschen sich in einem <strong>der</strong>art unfaßbar<br />
raschen Tempo entfaltet, daß es am verlangsamten Entwicklungsgang<br />
nach <strong>der</strong> Geburt nicht gemessen werden kann, blieb als unmeßbares<br />
<strong>und</strong> zeitloses Dasein für die Psychologie weitgehend nichtexistent. Wir<br />
werden uns dagegen in diesem Band viel mit <strong>der</strong> seelischen<br />
Entwicklung während <strong>der</strong> ersten neun "Monate unseres Lebens<br />
befassen, aber auch mit ihrem Ursprung <strong>und</strong> mit ihrem Abschluß<br />
während <strong>und</strong> nach <strong>der</strong> Geburt.<br />
Wenn auch heute vermehrt Vertreter <strong>der</strong> Tiefenpsychologie den<br />
außerordentlichen Wert einer Anerkennung des intrauterinen<br />
Seelenlebens <strong>und</strong> des unbewußten Selbstes für das Erfassen<br />
<strong>der</strong> Ganzheit <strong>der</strong> menschlichen Seele erkennen, zur bio-genetisch<br />
bedingten psychischen Entwicklung von <strong>der</strong> Zeugung zum intrauterinen<br />
Dasein, zum Trauma <strong>der</strong> Geburt <strong>und</strong> zu dem von bei den zutiefst<br />
beeinflußten nachgeburtlichen Leben mit dem Ziel einer bewußten<br />
Selbstverwirklichung haben sich meines Wissens bisher nur wenige<br />
durchgerungen. Ich möchte es mit dieser Publikation erneut versuchen.<br />
Bern, im Sommer 1970<br />
GUSTAV HANS GRABER