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ursprung, zwiespalt und einheit der seele - Gustav Hans Graber ...

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Wertung stehen. Es erwies sich jedoch als zweckmäßig, den Begriff auch auf<br />

die verwandten unbewußten Vorgänge anzuwenden.<br />

Der BLEuLERsche Begriff hat vorwiegend beschreibende Bedeutung. Er soll im<br />

folgenden in Kürze gezeichnet werden.<br />

Die affektive Ambivalenz findet vornehmlich eine Umschreibung im Lehrbuch<br />

<strong>der</strong> Psychiatries, <strong>und</strong> zwar mit spezieller Betonung <strong>der</strong> pathologischen Seite,<br />

wonach auf die gleiche Idee o<strong>der</strong> das gleiche Objekt mit zweierlei Affektion<br />

reagiert wird, ohne daß sich die bei den Affekte überhaupt beeinflussen.<br />

Bildlich gesprochen, bleiben Lachen <strong>und</strong> Weinen stets beieinan<strong>der</strong>, wie man<br />

dies etwa von <strong>der</strong> russischen Mentalität (Denk-, Anschauungs-,<br />

Auffassungsweise, Sinnes- <strong>und</strong> Geistesart) sagen hört: <strong>der</strong> Russe lacht mit dem<br />

einen Auge <strong>und</strong> mit dem an<strong>der</strong>n weint er.<br />

Der Fall, wo überhaupt keine Beziehung zwischen den beiden Affekten<br />

hergestellt wird, ist <strong>der</strong> extremste <strong>und</strong> gehört schon in das Gebiet <strong>der</strong><br />

Psychose. Wir legen Gewicht darauf, daß auch BLEULER in <strong>der</strong> affektiven<br />

Ambivalenz des pathologischen <strong>und</strong> des ges<strong>und</strong>en Menschen keinen<br />

prinzipiellen, son<strong>der</strong>n nur einen graduellen Unterschied sieht. Sie geht beim -<br />

Ges<strong>und</strong>en ohne jede Grenze über in die Erscheinung, »daß eine Menge von<br />

Erfahrungen in einer Hinsicht angenehm, in einer an<strong>der</strong>n unangenehm sind«.<br />

An<strong>der</strong>s stellt sich BLEULER zur intellektuellen Ambivalenz, wobei dasselbe<br />

Objekt <strong>und</strong> dieselbe Idee positiv <strong>und</strong> negativ »gedacht« <strong>und</strong> gewertet wird33.<br />

Dies, meint BLEULER, sei »wohl beim Erwachsenen immer als krank zu<br />

bezeichnen« (S. 106), während wir feststellen, daß auch die intellektuelle<br />

Ambivalenz nicht prinzipiell an<strong>der</strong>s sein kann als die affektive, die ja ihr<br />

Substrat (Gr<strong>und</strong>lage) bildet. Das Ursprüngliche ist immer die affektive,<br />

triebbedingte Ambivalenz, die in <strong>der</strong> intellektuellen nur eine beson<strong>der</strong>e<br />

Ausdrucksmöglichkeit findet.<br />

BLEULER spricht in seiner Arbeit auch von <strong>der</strong> Ambivalenz <strong>der</strong> Sexualität <strong>und</strong><br />

stellt fest, daß sie nicht nur durch positive Wollusttriebe <strong>und</strong> negative<br />

Tendenzen wie Scham <strong>und</strong> Ekel reguliert werde, son<strong>der</strong>n daß die genannten<br />

Sexualhemmungen einen Bestandteil <strong>der</strong> positiven Triebe selber bilden (S.<br />

101), indem <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand des Partners (Sexualobjekt) geradezu <strong>der</strong><br />

Anlockung diene. Wir werden später sehen, daß auch diese Tatsache <strong>der</strong><br />

sexuellen Ambivalenz ihre Erklärung in <strong>der</strong> Spaltung <strong>der</strong> gesamten<br />

Persönlichkeit findet, <strong>der</strong>en Wirkungen sich natürlich in allen<br />

Lebensäußerungen aufweisen lassen. Was diese letzte Erscheinung <strong>der</strong><br />

Hemmung als positiven Bestandteil des Sexualtriebes anbelangt, so läßt sie<br />

sich leicht auf die sadistisch-masochistische Komponente (Teilkraft)<br />

zurückführen, mit dem Charakteristikum <strong>der</strong> Freude am Schmerz <strong>und</strong> an <strong>der</strong><br />

Aggression.<br />

Dies kann aber kaum mehr als ursprünglich positiver Trieb gedeutet werden,<br />

son<strong>der</strong>n ist bereits ein Versuch, die zum Erlebnis gewordene Kluft zwischen Lust<br />

<strong>und</strong> Schmerz, welche Ursache zur Ambivalenz <strong>der</strong> gesamten Persönlichkeit<br />

geworden ist, durch die Umkehrung des Negativen, des Schmerzes <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Versagung, in ihr Gegenteil zu überbrücken.

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