ursprung, zwiespalt und einheit der seele - Gustav Hans Graber ...
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Sexualtheorie, Ges.Schr. Bd. V) o<strong>der</strong> als einen »trefflichen Ausdruck« (Totem<br />
<strong>und</strong> Tabu, Ges. Schr. Bd. X).<br />
Der FREuDschen (<strong>und</strong> seiner Schüler) Annahme <strong>und</strong> Vertiefung hat <strong>der</strong> Begriff<br />
<strong>der</strong> Ambivalenz sein allgemeines Bekanntsein zu verdanken. Worin besteht<br />
diese Vertiefung?<br />
Während wir bei BLEULER mehr eine deskriptive Darstellung <strong>der</strong> Ambivalenz<br />
finden, versuchte FREUD uns ihre dynamischen Auswirkungen durch eine<br />
phylogenetisch-ontogenetische (Stammes-[Biol. ]-Entwicklungsgeschichte des<br />
Individuums betreffend) Deutung ihrer Entstehung verständlich zu machen.<br />
Beide Aspekte haben einen stark hypothetischen Charakter. Dennoch<br />
erbringen sie die wesentlichsten Zusammenhänge, die zum Verständnis des<br />
Phänomens nötig sind. Daneben führte FREUD die Ambivalenz als psychische<br />
Erscheinung, entsprechend seiner biologischen Persönlichkeitspsychologie,<br />
zurück auf primäre Triebe <strong>und</strong> verankerte jene so in <strong>der</strong> umfassen<strong>der</strong>en<br />
Polarität, allerdings ohne immer eine scharf begrenzte Unterscheidung<br />
zwischen psychisch wi<strong>der</strong>sprechenden Tendenzen (Ambivalenz) <strong>und</strong><br />
gegensätzlichen Triebfunktionen (Polarität) zu machen. Er spricht z. B.36 von<br />
<strong>der</strong> Polarität <strong>der</strong> Lebens- <strong>und</strong> Todestriebe <strong>und</strong> im Anschluß daran von <strong>der</strong><br />
Polarität <strong>der</strong> Objektliebe (Objektbeziehung), die sich in Liebe (Zärtlichkeit) <strong>und</strong><br />
Haß (Aggression) äußere. Wir sprechen in <strong>der</strong> Objektbezogenheit, die meist<br />
von einem, wenn auch oft sehr geringen Teil Bewußtsein begleitet ist, immer<br />
von Ambivalenz.<br />
Psychische Tendenzen stehen in Kausalbeziehung zu Trieben <strong>und</strong> diese<br />
wie<strong>der</strong>um zu organischen Funktionen, eine Einsicht, die in einer biologischen<br />
Psychologie die Ambivalenz (Tendenzwi<strong>der</strong>spruch) auf die Polarität<br />
(Triebgegensätzlichkeit) <strong>und</strong> ihre organische Bedingtheit zurückführen muß.<br />
Dies erhellt zugleich, wenn eine schärfere Abgrenzung <strong>der</strong> Begriffe<br />
Ambivalenz <strong>und</strong> Polarität möglich wurde, daß diese Abgrenzung doch nie<br />
eine vollständige sein kann. Beson<strong>der</strong>s schwierig zu bestimmen ist sie in bezug<br />
auf das Unbewußte.<br />
Die phylogenetische Darstellung <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> Ambivalenz im Menschen<br />
führt FREUD insbeson<strong>der</strong>e in den Werken "Totem <strong>und</strong> Tabu« <strong>und</strong><br />
»Massenpsychologie <strong>und</strong> Ich-Analyse« aus. Er stellt vorerst fest, daß wir über<br />
die Herkunft <strong>der</strong> Ambivalenz nichts wissen, daß wir "die Annahme machen<br />
könnten, sie sei ein funktionales phänomen (Erscheinung) unseres<br />
Gefühlslebens, daß aber auch die an<strong>der</strong>e Möglichkeit beachtenswert<br />
erscheint, daß sie, dem Gefühlsleben ursprünglich fremd, von <strong>der</strong> Menschheit<br />
an dem Vaterkomplex (respektive Elternkomplex) erworben wurde«.<br />
FREuD ging von <strong>der</strong> Tatsache aus, daß in <strong>der</strong> Urhorde, analog den Horden <strong>der</strong><br />
höheren Affen (wie dies DARWIN nachgewiesen hat) <strong>und</strong> den noch<br />
bestehenden Horden <strong>der</strong> Naturvölker, ein starkes Männchen die Führung an<br />
sich reißt. In <strong>der</strong> Urhorde ist es gewöhnlich <strong>der</strong> Ji.lteste o<strong>der</strong> Mächtigste (in <strong>der</strong><br />
Annahme einer Urfamilie wäre es <strong>der</strong> Urvater). Dieser lebt sich absolut<br />
narzißtisch (in sich selbst verliebt) aus, ist autoritär, selbstsicher <strong>und</strong><br />
selbstherrlich. Die Untergebenen sind von ihm abhängig. Er beschaffi:<br />
Nahrung, <strong>und</strong> seine überlegene Kraft bietet Schutz gegen feindliche Mächte.