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Gedanken über Gott und die Welt - Heinrich Tischner

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Der biblische <strong>Gott</strong> erweist sich also <strong>über</strong>raschend flexibel. Warum sollte er nicht fähig sein zu<br />

lernen?<br />

WIE KAMEN DIE MENSCHEN DARAUF, DASS ES GEIST GIBT?<br />

Der Ursprung muss weit in der Vergangenheit liegen.<br />

HÖHLENMALEREIEN<br />

Steinzeitliche Höhlenmalereien zeigen wenige Menschendarstellungen, sondern hauptsächlich<br />

Tiere. Eine Menschendarstellung aus der Höhle von Lascaux ist besonders interessant:<br />

DER ZAUBERER MIT DER<br />

VOGELMASKE<br />

Ein Büffel ist von hinten, von der<br />

unsichtbaren Seite her, verw<strong>und</strong>et.<br />

Die unsichtbare Rückseite steht in<br />

der Bildsymbolik für <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> des<br />

Geistes. Der Büffel wendet seinen<br />

Kopf nach hinten, das heißt er blickt<br />

nach der Seite des Geistes; nicht der<br />

leibhaftige Büffel ist also verw<strong>und</strong>et,<br />

sondern sein Geist. Das wird<br />

bestätigt dadurch, dass der Speer mit<br />

einer durchbrochenen Linie<br />

dargestellt ist. Es handelt sich also nicht um eine materielle, sondern um eine virtuelle<br />

Waffe: <strong>die</strong> Beschwörung des Zauberers.<br />

Dieser befindet sich in einer merkwürdigen Schräglage vor dem Tier: weder wach stehend<br />

noch liegend im Schlaf, sondern im Zwischenzustand der Trance. Der Zauberer hat sich also<br />

in Trance versetzt, um mit seinem Geist des Büffelgeistes habhaft zu werden. Dies wird in<br />

der Symbolsprache verstärkt durch den beigefügten Seelenvogel, nicht sitzend <strong>und</strong> nicht<br />

fliegend, sondern in Ruhestellung, mit zusammengelegten Flügeln, aber <strong>über</strong> dem Boden<br />

schwebend. Die senkrechte Linie unter dem Vogel deutet den Abstand zum Boden an.<br />

Wir können also erkennen, dass der Zeichner glaubte, man könne mit Hilfe von Magie <strong>die</strong><br />

Geister der Jagdtiere schädigen, bevor ihren Körpern physische Gewalt zugefügt wurde.<br />

TOTENGLAUBE<br />

Der Ursprung des Geisterglaubens scheint aber nicht in der Jagd, sondern in Totenbräuchen<br />

zu liegen, <strong>die</strong> viel älter sind als <strong>die</strong> Höhlenmalereien. Schon der Neandertaler hat seine Toten<br />

rituell bestattet <strong>und</strong> damit zum Ausdruck gebracht, dass er sich <strong>über</strong> den Tod <strong>Gedanken</strong><br />

gemacht hat. Anhänglichkeit <strong>über</strong> den Tod hinaus finden wir sogar schon bei Tieren, nicht<br />

erst bei menschenähnlichen Wesen.<br />

Ein wichtiger Gr<strong>und</strong> für <strong>die</strong> Totenbräuche dürfte <strong>die</strong> schlichte Tatsache gewesen sein, dass<br />

Leichen stinken. Man konnte <strong>die</strong> Verstorbenen nicht einfach liegen lassen, sondern musste<br />

etwas tun, um <strong>die</strong> Leichen zu beseitigen. Dabei mögen auch fürsorgliche <strong>Gedanken</strong> eine<br />

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