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Gedanken über Gott und die Welt - Heinrich Tischner

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Marduk, der das Chaosungeheuer Yam 'Meer' bzw. Tiamat tötete <strong>und</strong> aus dessen Überresten<br />

<strong>die</strong> <strong>Welt</strong> erschuf.<br />

Es liegen da also zwei Denkmodelle vor: Entweder sind das <strong>Welt</strong>gebäude <strong>und</strong> seine<br />

Bestandteile Kinder des Urwesens wie bei Hesiodos oder sie sind dessen Körperteile wie in<br />

den anderen Mythen. Immer aber sind es Götter der jüngeren Generation, <strong>die</strong> den Kampf<br />

mit dem Urwesen aufnehmen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Mächte des Chaos in ihre Schranken verweisen.<br />

DIE ENTSTEHUNG DER WELT DURCH DIFFERENZIERUNG<br />

Ähnlich wie bei Hesiodos gab es auch in Ägypten <strong>die</strong> Vorstellung, dass das Urwesen zuerst<br />

<strong>die</strong> Elemente der <strong>Welt</strong> hervorbrachte. So lehrten <strong>die</strong> Priester von Heliopolis, der Urgott Atum<br />

habe zuerst Luft <strong>und</strong> Feuchtigkeit hervorgebracht, <strong>die</strong>se dann Himmel <strong>und</strong> Erde. Die<br />

Theologen von Hermopolis gliederten das Chaos in abstrakte Prinzipien: <strong>die</strong> räumliche<br />

Endlosigkeit, das Urgewässer, <strong>die</strong> Finsternis <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verborgenheit – alle jeweils männlich<br />

<strong>und</strong> weiblich.<br />

Insgesamt hat man den Eindruck, dass <strong>die</strong> Ägypter sich <strong>die</strong> Entstehung der <strong>Welt</strong> abstrakter<br />

vorstellten, während Hesiodos' Urwesen ja sehr konkrete Gestalten sind.<br />

GOTT ERSCHAFFT DIE WELT DURCH SEIN WORT.<br />

Die Priester der ägyptischen Stadt Memphis glaubten, dass ihr <strong>Gott</strong> Ptah <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> erschaffen<br />

habe – nicht durch handwerkliche Tätigkeit, nicht als Ergebnis eines Kampfes, sondern durch<br />

"<strong>die</strong> Tätigkeit seines Herzens <strong>und</strong> <strong>die</strong> Tätigkeit seines M<strong>und</strong>es", das heißt durch Gedanke <strong>und</strong><br />

Wort.<br />

Dieser Gedanke hat auch in der Bibel seinen Platz: "Der Himmel ist durch das Wort Jahwes<br />

gemacht <strong>und</strong> all sein Heer durch den Hauch seines M<strong>und</strong>es. Denn wenn er spricht, so<br />

geschieht's; wenn er gebietet, so steht's da." (Psalm 33)<br />

SCHÖPFUNG BEI PLATON<br />

Platon bringt in seinem Timaios eine Schöpfungsgeschichte, <strong>die</strong> genauso nüchtern<br />

durchdacht ist wie <strong>die</strong> in der Bibel. Sie ist durch den eigentümlichen Stil des Philosophen<br />

leider nicht leicht zu verstehen:<br />

Die wichtigsten Punkte der Ausführung: Die <strong>Welt</strong> ist nicht von den Göttern, sondern von<br />

einem Schöpfer gemacht, der vor den Göttern da war. Er begann seine Tätigkeit damit, dass<br />

er aus den vorhandenen Elementen Feuer, Wasser, Luft <strong>und</strong> Erde <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> bildete <strong>und</strong> sie<br />

mit einer <strong>Welt</strong>seele belebte. Er versuchte, in der <strong>Welt</strong> sein Ebenbild zu erschaffen <strong>und</strong> freute<br />

sich <strong>über</strong> ihre Schönheit <strong>und</strong> Vollkommenheit. Danach erschuf er <strong>die</strong> Planeten, welche <strong>die</strong><br />

Zeit erzeugen, <strong>und</strong> dann von den vier Arten von Lebewesen, der Bewohnern des Himmels,<br />

der Luft, des Wassers <strong>und</strong> der Erde <strong>die</strong> Götter. Ihnen gab er den Auftrag, <strong>die</strong> Luft-, Wasser<strong>und</strong><br />

Erdbewohner zu erschaffen sowie den Leib der Menschen; er selbst aber bildete <strong>die</strong><br />

menschlichen Seelen, <strong>die</strong> von den Göttern an <strong>die</strong> Körper geb<strong>und</strong>en wurden.<br />

Dass es einen Schöpfer gab, der vor den Göttern war, hat Platon daraus erschlossen, dass<br />

alles Geschehen eine Ursache hat <strong>und</strong> schließlich auf eine erste Ursache zurückzuführen ist.<br />

Platon erzählt nicht einfach seine Version von Schöpfungsgeschichte, sondern er entwickelt<br />

sie mit Argumenten; daher sind seine Ausführungen so schwer zu verstehen.<br />

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