Gedanken über Gott und die Welt - Heinrich Tischner
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erwählen ist ein Gräuel." – "Sie sind alle nichts <strong>und</strong> nichtig sind ihre Werke, ihre Bilder sind<br />
leerer Wind." Damit soll nicht gesagt sein, dass es <strong>die</strong> Götter nicht gibt. Es gibt ja sichtbare<br />
Bilder von ihnen <strong>und</strong> Menschen, <strong>die</strong> an sie glauben. Sie haben in Babylon sogar politische<br />
Macht, weil man an sie glaubt. Aber <strong>die</strong>sen Bildern <strong>und</strong> <strong>die</strong>sem Glauben entspricht keine<br />
geistige Wirklichkeit. Die Götter selbst können nichts tun. Sie können weder <strong>die</strong> Zukunft<br />
voraussagen, was man von den babylonischen Gestirngöttern ja behauptet hat, noch können<br />
sie im Krieg ihre eigenen Bilder in Sicherheit bringen. In <strong>die</strong>sem Zusammenhang prägt der<br />
Prophet sogar den Ausdruck Nichtsnutze.<br />
Schon Elija versucht auf dem Berg Karmel den Nachweis zu erbringen, dass der Gewittergott<br />
Baal das für ihn bestimmte Opfer nicht anzünden kann, was dagegen für Jahwe <strong>über</strong>haupt<br />
nicht schwierig ist.<br />
DER ABGOTT<br />
Eine andere Art der Auseinandersetzung mit fremden Glaubensformen ist, alles Fremde als<br />
Aberglauben abzulehnen oder zu verbieten. Die fremden Götter werden nicht als Nichtgötter<br />
geleugnet, sondern als Abgötter verboten.<br />
Als Abgötterei werden nicht nur traditionelle fremdartige Glaubensformen abgewehrt,<br />
sondern auch neuartige Abweichungen vom rechten Gauben.<br />
BAAL<br />
Im vorexilischen Israel wurde Jahwes Konkurrent Baal zum Inbegriff des falschen <strong>Gott</strong>es.<br />
Spätere Bibelherausgeber haben <strong>die</strong> Namen von zwei Söhnen Sauls: Eschbaal <strong>und</strong> Meribbaal<br />
(Namensformen in der Chronik erhalten) entstellt zu Ischboschet <strong>und</strong> Mephiboschet. In<br />
beiden wurde der <strong>Gott</strong>esname Baal durch hebräisch bošät 'Schande' ersetzt. Ähnlich sind<br />
'Aštorät = griechisch Astarte 51 <strong>und</strong> M e rodak = babylonisch Marduk merkwürdig vokalisiert.<br />
Manche Forscher nehmen an, <strong>die</strong> Herausgeber der hebräischen Bibel hätten damit andeuten<br />
wollen, dass man statt der Götternamen bošät 'Schande' bzw. m e borak 'verflucht' lesen soll.<br />
52 Es lässt sich aber nachweisen, dass sich <strong>die</strong> beiden Götternamen im Hebräischen durch<br />
normale Lautgesetze aus der ursprünglichen Form entwickelt haben.<br />
DER ABERGLAUBE<br />
Streng genommen bezeichnet unser heutiges Wort Aberglauben nicht eine fremde Religion,<br />
sondern eine abweichende, primitive Art zu glauben im Unterschied zur eigenen offiziellen<br />
Religion. Wir halten es etwa für Aberglauben, ein Maskottchen als Glücksbringer ins Auto zu<br />
hängen oder darauf zu vertrauen, dass uns ein Horoskop den richtigen Weg durchs Leben<br />
zeigt. Aber wir fühlen uns nicht berufen, zum Beispiel hinduistische Bräuche nach Glauben<br />
<strong>und</strong> Aberglauben zu beurteilen. Dagegen gibt es hinduistische Theologen, <strong>die</strong> ungeniert<br />
manche Praktiken ihrer Landsleute als Aberglauben brandmarken.<br />
51 <strong>die</strong> semitische Venus<br />
52 Ähnlich ist der <strong>Gott</strong>esname Jahwe J e howāh oder J e howih vokalisiert, weil man seinen Namen nicht<br />
aussprechen darf <strong>und</strong> stattdessen ' a donāj 'Herr' oder ' ä lohîm '<strong>Gott</strong>' lesen soll.<br />
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