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Gedanken über Gott und die Welt - Heinrich Tischner

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DIE ZEITLICHE UND RÄUMLICHE WELT<br />

Die deutschen Bibel<strong>über</strong>setzungen geben <strong>die</strong> biblischen Wörter für 'Ewigkeit' oft mit <strong>Welt</strong><br />

wieder. Althochdeutsch weralt bedeutet wörtlich 'Menschenalter', <strong>die</strong>nt als Übersetzung von<br />

saeculum <strong>und</strong> bezeichnet deutlich einen geschichtlichen Zeitraum. Das Wort hat aber im<br />

Laufe der Zeit mehr eine räumlichen Bedeutung bekommen: 'alle Menschen, <strong>die</strong> Erde, der<br />

<strong>Welt</strong>raum, das Universum'.<br />

DAS RAUM-ZEIT-KONTINUUM DER PHYSIK<br />

Die <strong>Welt</strong>formel Einsteins, E = mc², verbindet nicht nur Masse (m) <strong>und</strong> Energie (E), sondern<br />

bringt beide in eine mathematische Beziehung zur Lichtgeschwindigkeit (c). Geschwindigkeit<br />

aber als Maß der Bewegung besteht aus den Komponenten Raum <strong>und</strong> Zeit. Einstein hat also<br />

hier in genialer Weise <strong>die</strong> vier wichtigsten physikalischen Größen auf eine mathematische<br />

Formel gebracht: Masse, Energie, Raum <strong>und</strong> Zeit, also das, wonach Faust gesucht hat: "was<br />

<strong>die</strong> <strong>Welt</strong> im Innersten zusammen hält". 61<br />

Die Relativitätstheorie deckt mit komplizierten Mitteln eigentlich weiter nichts als eine<br />

Binsenweisheit auf: Raum <strong>und</strong> Zeit sind keine unabhängigen Größen, sondern von einander<br />

abhängig. Ich kann nur an einer Stelle im Raum sein <strong>und</strong> brauche Zeit, um an eine andere<br />

Stelle zu gelangen. Dabei verbrauche ich Energie, <strong>und</strong> zwar umso mehr, je schwerer ich bin<br />

bzw. je größer meine Masse ist <strong>und</strong> je schneller ich ans Ziel gelangen will. Der<br />

Spritverbrauch meines Autos <strong>und</strong> <strong>die</strong> Rechnung der Tankstelle führen mir das deutlich vor<br />

Augen.<br />

Mit dem Wagen wurde zugleich auch <strong>die</strong> Z e i t m a s c h i n e erf<strong>und</strong>en. Denn indem ich mich<br />

im Raum bewege, bewege ich mich auch in der Zeit. Wenn ich nach St<strong>und</strong>en oder Wochen<br />

wieder nach Haus zurück komme, kann sein, dass zu Hause scheinbar <strong>die</strong> Zeit stehen<br />

geblieben ist, das heißt es gibt nichts Neues, während ich eine Menge zu erzählen habe. Es<br />

kann auch sein, dass für mich <strong>die</strong> Zeit stehen geblieben ist, denn ich war auf einer<br />

langweiligen Konferenz, während sich in meiner Abwesenheit eine Menge ereignet hat.<br />

JAHWE<br />

Der biblische <strong>Gott</strong>esname Jahwe wird gedeutet als "Ich bin, der ich bin" (hebräisch: ’ähjäh<br />

’ a šär ’ähjäh, abgeleitet von dem altsemitischen Wort hāwoh = hebräisch hājoh 'geschehen,<br />

da sein, werden'. Tatsächlich scheint Jahwäh zu bedeuten "Er macht existieren, er ruft ins<br />

Dasein", nicht "er ist", was hebräisch jihjäh bzw. alt jihwäh lautet.<br />

Im Deutschen hat sein oft nur eine syntaktische Funktion. In dem Satz "Jahwe ist unser<br />

<strong>Gott</strong>" deutet "ist" an, dass "unser <strong>Gott</strong>" in <strong>die</strong>sem Fall keine Apposition, sondern<br />

Prädikatsnomen ist. Im Hebräischen fehlt ein entsprechendes Wort, sodass kaum zu<br />

entscheiden ist, ob das jüdische Glaubensbekenntnis <strong>über</strong>setzt werden muss 'Jahwe ist<br />

unser <strong>Gott</strong>, Jahwe allein' oder 'Jahwe, unser <strong>Gott</strong>, ist der eine (unteilbare) Jahwe' oder<br />

noch anders.<br />

61 Oder auch nicht, denn Einsteins Formel beschreibt nur <strong>die</strong> materielle <strong>Welt</strong>; ihr fehlt <strong>die</strong> wichtige<br />

Komponente des Geistes. Mir selbst fehlt das mathematische Verständnis, um eine Formel zu bilden,<br />

<strong>die</strong> etwa besagt "Materie ist ein Produkt des Geistes", "Information steht in einem mathematischen<br />

Verhältnis zu E = mc²." Das wäre wohl eher <strong>die</strong> <strong>Welt</strong>formel, nach der Faust gefragt hat.<br />

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