Observieren â Sondieren â Regulieren - Institut für Philosophie ...
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4. In den Stadien Transport, Gebrauch und Entsorgung von Produkten ergeben sich nach<br />
dem Gutachten weitere Regulierungslücken, die ebenso auf den nicht nanospezifischen<br />
Stoffbegriff sowie die nicht nanospezifischen Mengenschwellen zurückgeführt werden<br />
können. Im Transportrecht existiert bspw. keine nanospezifische Kennzeichnungspflicht<br />
(ebd.: 30). In den verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften z.B. für Humanarzneimittel,<br />
den Grundsätzen des Lebensmittelrechts oder den Richtlinien zur Kosmetik 7 fehlen<br />
nanospezifische Kennzeichnungen (ebd.: 32). Im Waschmittel- und Reinigungsgesetz und<br />
in den Kraftstoffrichtlinien fehlen nanospezifische Register und Standards bspw. bezüglich<br />
Standards der biologischen Abbaubarkeit (ebd.: 33). Im Stadium der Entsorgung bedingen<br />
bspw. nicht vorhandene nanospezifische Mengenschwellen Regelungslücken im<br />
Wasser-, Abfallrecht und der Klärschlammverordnungen (ebd.: 37; 50-53).<br />
Die in den – entlang des Lebenszyklus von Produkten – zuständigen Rechtsfeldern identifizierten<br />
Unzulänglichkeiten hängen letztlich mit dem großen Nicht-Wissen um die Eigenschaften<br />
von Nanomaterialien und deren Verhalten in Produktions- und Verwendungszusammenhängen<br />
zusammen. Das Gutachten identifiziert damit Gesetzeslücken, die auf Wissenslücken<br />
basieren. Ob und wie diese Lücken regulatorisch geschlossen werden können, hängt<br />
jedoch davon ab, ob man das fehlende Wissen als gänzlich und schnell einholbar betrachtet.<br />
Zur Klärung solcher Fragen besteht bereits Bedarf an einem reflexiven Urteilsverfahren (vgl.<br />
Kap. 1.2. und 1.3.)<br />
2.2.2. Gestaltungsoptionen gesetzlicher Regulierung<br />
Zentraler Problempunkt für eine nanospezifische Anpassung gesetzlicher Regularien ist nach<br />
dem UBA-Gutachten der ungeeignete Stoffbegriff sowie die zu hohen Mengenschwellen.<br />
Hierzu lautet das Urteil des Rechtsgutachtens:<br />
„Soweit sich neue Risiken aus dem Auftreten eines bisher bekannten Stoffes allein<br />
daraus ergeben, dass er nunmehr im nanoskaligen Format gehandhabt wird<br />
(wie im Fall des Titanoxids), ist sicherzustellen, dass diese durch das Regulierungssystem<br />
erkannt und ihrer Unterscheidbarkeit entsprechend behandelt werden.<br />
[...] Zentraler Anknüpfungspunkt des Chemikalienrechts ist der Stoff [...].<br />
Dessen rechtliche Ausformung bestimmt damit zugleich Gehalt und Reichweite<br />
der entsprechenden Pflichten. Definiert wird ein Stoff durch die ihm eigenen und<br />
damit für ihn charakteristischen physikalischen und chemischen Eigenschaften,<br />
wobei man bisher davon ausging, dass diese von seiner Größe und Gestalt unabhängig<br />
sind. Mit Blick auf die vorliegenden Kenntnisse über Stoffe im Nano-<br />
Format – insbesondere das stark veränderte Oberflächen-Volumenverhältnis und<br />
den daraus ggf. resultierenden Besonderheiten – erscheint jedoch diese Annahme<br />
überholt“ (ebd.: 40).<br />
Das Urteil des Rechtsgutachtens ist in seiner Bedeutung folgendermaßen zu verstärken: Obwohl<br />
es sich bei Stoffen im Nano-Format – verglichen mit herkömmlichen Chemikalien – um<br />
7 Die auf die Gebrauchsphase zutreffenden nationalen und verbraucherschutzrechtlichen sowie auf die Gesundheitsrisiken<br />
bezogenen Vorschriften zu Kosmetik, Sonnencremes und Medikamente werden in dem UBA-Gutachten<br />
aufgrund dessen umweltrechtlichen Fokus nicht untersucht. Das Problem der fehlenden Kennzeichnung<br />
wird bspw. in Publikationen des Verbraucherschutzes (z.B. BfR 2005, 2007; Chaudhry et al. 2006 für die<br />
englische DEFRA [Department for Environment, Food and Rural Affairs]) thematisiert.