Observieren â Sondieren â Regulieren - Institut für Philosophie ...
Observieren â Sondieren â Regulieren - Institut für Philosophie ...
Observieren â Sondieren â Regulieren - Institut für Philosophie ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
8<br />
1. Einleitung<br />
1.1. Ausgangslage und Zielsetzung<br />
1.1.1. Ausgangslage<br />
Debatten zur Regulierung der Nanotechnologie orientieren sich an regulatorischen Vorbildern:<br />
bspw. der europäischen Chemikalienrichtlinie REACh, den Produktsicherheitsprüfungen<br />
des TÜV, den Genehmigungsverfahren des GenTG (Gentechnikgesetz) oder den Richtlinien<br />
der Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit. Betont wird dabei in der Regel, dass diese<br />
Vorbilder noch nicht erreicht werden können – aufgrund vielseitiger und umfassender Wissenslücken<br />
über die Gesundheits-, Umwelt- und Sozialverträglichkeit nanotechnologischer<br />
Entwicklungen und Produkte. Regulierung wird somit zu einem Desiderat, das umfassende<br />
Risiko- und Sicherheitsforschungen voraussetzt. Große Wissenslücken werden insbesondere<br />
in Bezug auf die potentielle Toxizität von Nanopartikeln problematisiert – z.B. wegen mangelnder<br />
Charakterisierung, Standardisierung, fehlenden Informationen zum Transportverhalten<br />
in Wasser, Erde und Luft, unterschiedlichen Expositionen durch Einatmen, Hautkontakt,<br />
Aufnahme über den Verdauungstrakt und Interaktion mit anderen Stoffen der Umwelt oder<br />
Festkörpern in allen Phasen des Lebenszyklus von der Produktion bis zur Entsorgung. Entsprechend<br />
lautet ein exemplarisches Urteil aus der toxikologischen Risikoforschung, „dass für<br />
eine realistische Abschätzung der Exposition, Gefährdung und dem einhergehenden Risiko<br />
die gegenwärtige Datenlage nicht ausreicht. Daher sind derzeit auch spezifische regulatorische<br />
Maßnahmen nicht möglich, da völlig unklar ist, worauf sie eigentlich abzielen sollten“<br />
(exemplarisch: Krug&Wörle-Knirsch 2007: 111).<br />
Unter Berufung auf solche Problematisierungen fordern einige NGOs die politisch<br />
Verantwortlichen dazu auf, generell keine nanotechnologischen Produkte zuzulassen, solange<br />
diese nicht vollständig auf ihre Sicherheit und gesundheitliche, ökologische und soziale Verträglichkeit<br />
geprüft sind (z.B. ETC 2002; 2003a+c; ähnlich EGE 2007). Aktuell konstatieren<br />
bspw. Friends of the Earth: “There should be a moratorium on the further commercial release<br />
of sunscreens, cosmetics and personal care products that contain engineered nanomaterials,<br />
and the withdrawal of such products currently on the market, until adequate public, peerreviewed<br />
safety studies have been completed, and adequate regulations have been put in place<br />
to protect the general public, the workers manufacturing these products and the environmental<br />
systems in which waste products will be released” (Illuminato 2007: 8).<br />
Diese Forderungen erwecken den Anschein, als könnte das hierzu notwendige Wissen<br />
in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen (kritisch dazu z.B. Maynard et al. 2004). Sie reflektieren<br />
nicht, dass derart umfassende Sicherheitsforderungen auf unbestimmte Zeit ein vollständiges<br />
Moratorium jeglicher – auch erwünschter – Entwicklungen und industrieller Umsetzungen<br />
implizieren, an denen ‚Nanotechnologie’ in irgendeiner Form beteiligt ist.<br />
Dieser Position entgegen steht zum einen ein öffentliches Interesse an möglichem<br />
Nutzen und Vorteilen der Nanotechnologie, zum anderen Forderungen der Industrie und