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Observieren – Sondieren – Regulieren - Institut für Philosophie ...

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2.2.4. Das Vorsorgeprinzip als regulatorische Orientierung<br />

Bisher lassen sich die von Nanomaterialien ausgehende Gefahren nur abstrakt bestimmen. Es<br />

bestehen Hinweise auf die Toxizität bestimmter Stoffe im Nano-Format (z.B. Titanoxid). Bekannt<br />

ist bspw., dass Nanopartikel natürliche Schutzbarrieren des menschlichen Körpers wie<br />

die Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Über die konkreten Gesundheitsrisiken der Exposition<br />

von Nanopartikeln im menschlichen Körper weiß man jedoch nur sehr wenig. In einer<br />

solchen Situation des Gefahrenverdachts und umfangreichen Nicht-Wissens können sich<br />

Maßnahmen – wie z.B. Moratoriumsforderungen (z.B. ETC 2003a) – auf das Vorsorgeprinzip<br />

berufen. Ebenso gilt das Vorsorgeprinzip als eine normative Orientierungsgröße bei der Bewertung<br />

von gesetzlichem Regulierungsbedarf und den als Ergebnis empfohlenen Maßnahmen<br />

(z.B. Führ et al. 2006: 3). Dabei ist die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips auf die<br />

‚Nanotechnologie’ jedoch nicht unumstritten.<br />

Ein genauerer Blick in die vorliegenden Definitionen des Vorsorgeprinzips zeigt, dass<br />

diese nicht eindeutig und häufig recht vage verfasst sind. Die Definitionen erlauben einen<br />

weiten Spielraum für (auch konträre) Interpretationen über Auslöser und Reichweite des Vorsorgeprinzips.<br />

Eine Definition des Vorsorgeprinzips aus der Rio-Declaration von 1992 lautet<br />

bspw.:<br />

“When an activity raises threats of harm to human health or the environment,<br />

precautionary measures should be taken even if some cause-and-effect<br />

relationships are not fully established scientifically” (Tickner o.J.; vgl. auch EEA<br />

2001: 14).<br />

Im Bericht der European Environment Agency (EEA 2001) finden sich weitere Definitionen,<br />

die in verschiedenen internationalen Verträgen formuliert wurden. Die Offenheit oder Vagheit<br />

vieler Definitionen des Vorsorgeprinzips wird einerseits häufig als Grund betrachtet, um die<br />

Unangemessenheit des Vorsorgeprinzips für regulatorische Belange zu betonen. Andererseits<br />

gilt genau diese Offenheit als gute Voraussetzung für die Eignung des Vorsorgeprinzips als<br />

allgemeine Handlungs- und Verfahrensrichtlinie (zur Diskussion vgl. z.B. Bachmann 2006,<br />

Marchant 2006; Wilson 2006; Clarke 2006; Cranor 2001; Schomberg 2006+2007).<br />

Nach der zitierten Definition der Rio-Declaration ergeben sich Unklarheiten bezüglich<br />

seiner Anwendbarkeit auf Nanotechnologien: In diesem Fall ist es durchaus umstritten, ob<br />

unter „activity“ schon Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten oder erst die Schaffung eines<br />

Produktes für den Markt fallen. Für Forschungstätigkeiten, die noch sehr weit von marktreifen<br />

Produkten entfernt sind, gilt das Vorsorgeprinzip im Allgemeinen als nicht zutreffend (z.B.<br />

Fisher et al 2006). Umstritten ist auch, ob das Vorsorgeprinzip überhaupt auf die ‚Nanotechnologie’<br />

anwendbar ist. Schließlich handle es sich bei ‚Nanotechnologie’ um einen undifferenzierten<br />

„umbrella term“. Außerdem umfasse dieser Terminus Anwendungsfelder nanotechnologischer<br />

Verfahren, die viel zu sehr von Unsicherheiten und bloßen Versprechungen<br />

geprägt seien, als dass bei diesen schon von einer abstrakten Gefährdungssituation ausgegangen<br />

werden könne (vgl. Rip 2006).

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