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Schriftliche Stellungnahmen der nicht geladenen Verbände und ...

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Ausschuss für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit Ausschussdrucksache 15(9)707<br />

Die freien Bildungsträger halten die Absicht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit, im kommenden Jahr 75 Prozent <strong>der</strong> Maßnahmen<br />

nach §§ 37a, 48 SGB III zentral <strong>und</strong> einheitlich über die Landesarbeitsämter auszuschreiben, für verfehlt. Für<br />

eine regionale, ortsnahe Vergabe sollen nur noch ein Viertel <strong>der</strong> Maßnahmen zur Verfügung stehen. Daß zudem <strong>der</strong><br />

gesamte Jahresbedarf für 2004 ausgeschrieben werden soll, erinnert an Anklänge planwirtschaftlicher Vorstellungen.<br />

Der Arbeitsmarkt ist beweglich, dynamisch <strong>und</strong> entwickelt sich im Verlaufe des Jahres unterschiedlich. Darauf muß<br />

man flexibel reagieren. Mit ihrer Ausschreibungspraxis beschränkt sich die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit selbst, die eingesetzten<br />

Instrumente werden unflexibel. Die B<strong>und</strong>esregierung betont in <strong>der</strong> Begründung 22 zum Entwurf eines Dritten<br />

Gesetzes für mo<strong>der</strong>ne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt die beson<strong>der</strong>e Bedeutung <strong>der</strong> Regionalisierung, mithin <strong>der</strong><br />

ortsnahen Leistungserbringung. Die Suche eines neuen Arbeitsplatzes erfolgt regelmäßig im regionalen Umfeld. Das<br />

erfor<strong>der</strong>t, wie § 9 Abs. 3 SGB III zutreffend bestimmt, eine enge Zusammenarbeit <strong>der</strong> Beteiligten des örtlichen Arbeitsmarktes<br />

<strong>und</strong> schließt damit eine zentrale Ausschreibung durch die Landesarbeitsämter aus.<br />

E. Berufliche Qualifizierung im Dritten <strong>und</strong> Vierten Gesetz für mo<strong>der</strong>ne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt<br />

Die Entwürfe eines Dritten <strong>und</strong> Vierten Gesetzes für mo<strong>der</strong>ne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt enthalten wie<strong>der</strong>um<br />

keine Elemente zur Belebung des Arbeitsmarktes. Ihr Regelungsinhalt bleibt auf die Verwaltung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

beschränkt. Es bleibt die bittere Erkenntnis: „Hartz schafft keine Arbeitsplätze.“ Beide Gesetzentwürfe enthalten keine<br />

einzige Maßnahme zur Steigerung <strong>der</strong> Beschäftigung in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. Es hat den Anschein, als<br />

hätte sich die B<strong>und</strong>esregierung mit <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit abgef<strong>und</strong>en. Es fehlt an einer Analyse <strong>der</strong> Ursachen <strong>der</strong><br />

steigenden Arbeitslosigkeit. Und es fehlt weiter an einer Analyse über die bisherigen Probleme <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esanstalt für<br />

Arbeit bei <strong>der</strong> Vermittlung von Arbeitslosen in den sog. Ersten Arbeitsmarkt. Beides sind Gr<strong>und</strong>voraussetzungen für<br />

eine effiziente Neugestaltung <strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esanstalt. Wie bereits aus dem Titel <strong>der</strong> Gesetzentwürfe hervorgeht,<br />

wird <strong>der</strong> künftigen B<strong>und</strong>esagentur für Arbeit lediglich ein neuer Rahmen für Erbringung mo<strong>der</strong>ner Dienstleistungen<br />

am Arbeitsmarkt vorgegeben. Arbeitslosigkeit wird auch in Zukunft nur verwaltet. Der Wettbewerb zwischen Arbeitsplatzbesitzern<br />

<strong>und</strong> Arbeitslosen bleibt weitgehend ausgeschaltet. Die B<strong>und</strong>esregierung achtet sehr sorgsam darauf,<br />

daß Arbeitnehmern, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden, keine Opfer zur Beseitigung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

abverlangt werden. Im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Neuregelung stehen - neben <strong>der</strong> organisatorischen Umgestaltung <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit - rein verteilungspolitische Gesichtspunkte, mithin zahlreiche Einzelregelungen, von denen<br />

eine höhere Vermittlungsleistung in den Arbeitsmarkt erwartet wird.<br />

Die Hartz-Kommission erfuhr insbeson<strong>der</strong>e deshalb verbreitete Anerkennung, weil es ihr gelungen ist, die Gewerkschaften<br />

in das Konzept einzubeziehen <strong>und</strong> damit <strong>der</strong>en Akzeptanz für die vorgeschlagenen Maßnahmen zu erlangen.<br />

Dies geschah um den hohen Preis, Kernelemente gewerkschaftlicher Errungenschaften weitgehend unangetastet zu<br />

lassen. Themen wie Eingriffe in tarifvertragliche Regelungen, eine mögliche Erhöhung <strong>der</strong> Wochenarbeitszeit, die<br />

Ablehnung betrieblicher Bündnisse für Arbeit sowie die Betriebsverfassung wurden von <strong>der</strong> Hartz-Kommission konsequent<br />

ausgespart; entsprechende Reformbestrebungen fanden keinen Anklang. Die Hartz-Kommission hat ihre Vorschläge<br />

aus <strong>der</strong> Praxis eines großen Unternehmens abgeleitet, letztlich ohne zu prüfen, ob diese Vorschläge auf an<strong>der</strong>e<br />

Unternehmen, auf den Mittelstand, auf das Handwerk <strong>und</strong> auf die Selbständigen übertragbar sind.<br />

Wegen des Defizits flankieren<strong>der</strong> konjunkturpolitischer Maßnahmen sind die im Dritten <strong>und</strong> Vierten Gesetz für mo<strong>der</strong>ne<br />

Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vorgesehenen Än<strong>der</strong>ungen <strong>nicht</strong> geeignet, eine Besserung <strong>der</strong> Situation auf<br />

dem Arbeitsmarkt zu bewirken. So sehr sich die Arbeitsverwaltung auch mühen mag, ohne Schaffung neuer Arbeitsplätze<br />

müssen die Vermittlungserfolge zwangsläufig beschränkt bleiben. So dürfte die faktische Abschaffung <strong>der</strong> Arbeitslosenhilfe<br />

nach den Erfahrungen mehrerer Bildungsträger noch am ehesten zum Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit beitragen,<br />

weil damit eine materielle langjährige Gr<strong>und</strong>versorgung auf vergleichsweise hohem Niveau <strong>und</strong> ein starker Anreiz<br />

zur Arbeitslosmeldung wegfällt.<br />

Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen 23 aus dem Sozialstaatsprinzip eine Verpflichtung des<br />

Staates abgeleitet, Möglichkeiten für Beschäftigung zu schaffen. Die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt bedürfen<br />

einer gr<strong>und</strong>legenden Verän<strong>der</strong>ung, damit reguläre Arbeit wie<strong>der</strong> attraktiver wird. Mehr Wettbewerb statt Aufrechterhaltung<br />

starrer Tarifsysteme, die allein die „Besitzer“ von Arbeitsplätzen schützen, ist dringend erfor<strong>der</strong>lich. Es<br />

wird begrüßt, daß <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esminister für Wirtschaft <strong>und</strong> Arbeit ankündigt, sich <strong>der</strong> Aufgabe „Schaffung neuer Arbeitsplätze“<br />

zu stellen. In <strong>der</strong> B<strong>und</strong>estagsdebatte vom 26. September 2003 hat er ausgeführt: „Wir haben sechs Millionen<br />

Menschen, die in den Arbeitsmarkt hineinmüssen“. 24 Das ist vom ökonomischen Standpunkt aus zutreffend: Der<br />

Staat kann Arbeitslosigkeit in dieser Höhe <strong>nicht</strong> dauerhaft finanzieren. Die B<strong>und</strong>esregierung sei daran erinnert, daß eine<br />

erfolgreiche Sanierung <strong>der</strong> Sozialversicherung <strong>und</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Finanzen einen drastischen Rückgang <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

zur Voraussetzung hat. Beide Gesetzentwürfe nehmen <strong>nicht</strong> zur Kenntnis, daß die B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit<br />

zur Betreuung von vier bis fünf Millionen arbeitsloser Menschen <strong>nicht</strong> ausgerichtet ist <strong>und</strong> auch dafür niemals<br />

vorgesehen war.<br />

22<br />

Vgl. die Begründung zu § 9 SGB III.<br />

23<br />

Entscheidung vom 29. April 1999, 1 BvR 2203/93;<br />

Entscheidung vom 29. April 1999, 1 BvR 897/95;<br />

Entscheidung vom 3. April 2001, 1 BvR 32/97.<br />

24<br />

Dazu zählt <strong>der</strong> Minister <strong>nicht</strong> nur die in <strong>der</strong> Arbeitslosenstatistik erfaßten Personen, son<strong>der</strong>n auch diejenigen, die sich vorübergehend in arbeitsmarktpolitischen<br />

Maßnahmen befinden o<strong>der</strong> die einfach in Arbeitslosigkeit verharren, ohne Leistungen zu beziehen.<br />

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