ETH-UNS - ETH Zürich
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28 <strong>ETH</strong>-<strong>UNS</strong> Fallstudie 2006 «Entscheidungsprozesse Wellenberg»<br />
Unterschiedliche<br />
Wahrnehmungen und<br />
Realitäten ernst nehmen<br />
Die vielfältigen Zusammenhänge zwischen<br />
wahrgenommenen Risiken, dem Vertrauen<br />
in Behörden oder Experten, den persönlichen<br />
Betroffenheiten, Werthaltungen,<br />
Emotionen, dem Wissensstand oder dem<br />
sozialen Umfeld sollten verstanden und<br />
auch im Prozess gebührend und ernsthaft<br />
berücksichtigt werden. Unterschiedliche<br />
Wahrnehmungen sollten als Realitäten akzeptiert<br />
und nicht pauschal als «Fehlwahrnehmungen»<br />
diskreditiert werden. Sonst<br />
droht ein Vertrauensverlust oder ein Vertrauensaufbau<br />
wird verhindert. Vertrauen<br />
in Personen oder Institutionen spielt bei<br />
komplexen Themen, die zudem vielen Unsicherheiten<br />
unterliegen und die nur von wenigen<br />
Experten umfassend erschlossen werden<br />
können, eine zentrale Rolle.<br />
Informationen zu vermitteln setzt voraus,<br />
dass man sich auf die anzusprechenden<br />
Personen einlässt und mit deren Anliegen<br />
ernsthaft auseinandersetzt. Die zentrale<br />
Bedeutung des Vertrauens kann hier<br />
nur nochmals wiederholt werden. Die beim<br />
Vertrauen bestehende Asymmetrie – leichter<br />
verloren als wieder gewonnen – illustriert,<br />
dass Prozesse bei einem solch delikaten<br />
und historisch überfrachteten Thema<br />
keine Fehler erlauben. Insbesondere nicht in<br />
der sehr heiklen Anfangsphase, wenn eine<br />
Region zum ersten Mal erfährt, dass sie (potenziell)<br />
für ein Lager in Frage kommt.<br />
Der offene Umgang mit den durch ein<br />
solches Projekt meist hervorgerufenen<br />
Emotionen scheint uns kritisch – und zwar<br />
auf befürwortender wie ablehnender Seite.<br />
Informationen werden beim Individuum sowohl<br />
auf einer emotionalen als auch auf einer<br />
rationalen Ebene verarbeitet. Beide Ebenen<br />
bestimmen mit, was sich beim einzelnen<br />
Menschen als Realität einstellt. Und<br />
diese Realität ist nicht immer frei von Zwiespalt.<br />
Dies kann schön illustriert werden mit<br />
einem Zitat aus einem unserer vielen Interviews<br />
vor Beginn der Fallstudie: «Im Kopf<br />
war ich für ein Lager, aus dem Bauch aber<br />
eher dagegen.» (Mann, CVP, Dallenwil, Experteninterview)<br />
Übertragbarkeit der<br />
Resultate auf andere<br />
Infrastrukturprojekte<br />
möglich<br />
Die für die Lagerung radioaktiver Abfälle<br />
erarbeiteten Ergebnisse lassen sich vermutlich<br />
auch auf andere Infrastrukturprojekte<br />
übertragen. So sind die frühzeitige Information,<br />
die Aushandlung bzw. Einigung über<br />
das eigentliche Verfahren, die transparenten<br />
Entscheidungsprozesse oder die Durch-<br />
führung in Schritten oder Etappen auch bei<br />
anderen gesellschaftlich umstrittenen Infrastrukturanlagen<br />
zu beachten. Als Beispiele<br />
können hier die Nutzungserweiterung<br />
von Flugplätzen, der Neubau von<br />
Einkaufszentren oder die Erweiterung von<br />
Skigebieten angeführt werden.